Full text: Deutscher Schul-, Haus- und Kinderfreund

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theile meinen Verdienst mit meinen alten Ältern, die nicht mehr 
arbeiten können, und mit meinen Kindern, die es erst lernen müs¬ 
sen; jenen vergelte ich die Liebe, die sie mir in meiner Kindheit er¬ 
wiesen haben, und von diesen hoffe ich, dass sie mich einst in mei¬ 
nem müden Alter auch nicht verlaffen werden." War das nicht 
schön gesagt und noch schöner und edler gedacht und gehandelt? 
Der Fürst belohnte die Rechtschaffenheit des wakkern Mannes, sorgte 
für seine Söhne, und der Segen, den ihm seine sterbenden Ältern 
gaben, wurde ihm im Alter von seinen dankbaren Kindern durch 
Liebe und Unterstützung redlich entrichtet. ^Hebel.i 
408. Ein Vater kann leichter sechs Kinder er¬ 
nähren, als sechs Kinder einen Vater. 
Es ist recht und wohl gesagt von alten, weisen Leuten: Gott, 
den Eltern und Lehrern kann man nimmer genugsam danken, noch 
vergelten. Leider wird aber gar oft erfüllt das gemeine Sprichwort: 
dass ein Vater leichter sechs Kinder ernähren kann, als sechs Kin¬ 
der einen Vater. Man sagt ein Exempel von einem Vater, der 
übergab seinen Kindern alle seine Güter, Haus, Hof, Äkker, und 
versah sich dessen zu seinen Kindern, sie würden ihn ernähren. Da 
er nun bei seinem ältesten Sohne eine Zeit lang war, wurde der 
Sohn seiner überdrüssig und sprach: „Vater, mir ist diese Nacht 
ein Knäblein geboren, und wo jetzt Euer Armstuhl ist, sott seine 
Wiege stehen; wollet Ihr nicht zu meinem Bruder ziehen, der eine 
größere Stube hat^" —- Da er nun eine Zeitlang bei dem andern 
Sohne gewesen war, wurde der auch ftin müde und sprach: „Va¬ 
ter, Er hat gern eine warme Stube, und mir thut der Kopf davon 
weh; will Er nicht zu meinem Bruder gehen, der ein Bakker ist ?" 
Der Vater ging; und da er nun eine Zeitlang bei seinem dritten 
Sohne gewesen war, wurde er auch diesem zur Last, dass er sprach: 
„Vater, bei mir geht es aus und ein, wie in einem Taubenschlage, 
und Ihr könnt Euer Mittagsschläfchen nicht machen; wollt Ihr 
nicht zu meiner Schwester, der Käthe, die wohnt an der Stadt¬ 
mauer?" —- Der Alte merkte, wie viel es geschlagen hatte und 
sprach bei sich selbst: Wohlan, das will ich thun: ich will mich auf¬ 
machen und es bei meinen Töchtern versuchen! Die Weiber haben 
ein weicheres Herz. — Da er aber eine Zeitlang bei seiner Tochter 
gewesen war, wurde sie sein überdrüssig und sagte: es sei ihr immer 
Höllenangst, wenn der Vater zur Kirche oder sonst wohin gehe und 
die hohe Treppe hinunter müsse; bei der Schwester Lisabeth brauchte 
er keine Treppe zu steigen, die wohne zur ebenen Erde. — Damit
	        
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