Full text: Lehr- und Lesebuch oder der sinnliche und sittliche Anschauungsunterricht für die Mittelklassen der Volksschule

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über das Wasser kein Weg; da kommt gleich der Zimmermann, bauet 
den Steg. Von hüben nach drüben 's Kind gehen nun kann, 
hab' Dank, du geschickter Zimmermann! 
4. Die beiden Ziegenböcke. 
Es waren einmal zwei Geiß bocke, die hatten starke Hörnerund 
lange Bärte, aber wenig Hirn in dem Kopfe. Diese begegneten sich 
auf einem Wege mitten über einem tiefen Wasser. Da sprach der 
eine: „Geh mir aus dem Wege, oder ich stoße dich!" Der andere 
aber antwortete: „Wenn du stößest, so stoße ich wieder, und ich gehe 
nicht aus dem Wege." Und so geriethen die beiden eigensinnigen 
und hartnäckigen Böcke an einander, streckten die Köpfe vorwärts, 
und preßten die Hörner so an einander, als wenn es Mauersteine 
wären. Ich glaube, sie waren sich, gleich an Stärke; denn es konnte 
keiner den andern zurückdrücken. Aber daran hatten sie nicht gedacht, 
daß man auch aus gl eiten kann. Und doch geschah es so. Die 
Köpfe streiften neben einander her, und der eine Bock purzelte auf 
der rechten Seite, der andere auf der linken Seite des Steges hin¬ 
unter und tief in das Wasser hinein. Zum Glücke konnten sie schwim¬ 
men, und kamen nach vieler Anstrengung, aber wohl durchnäßt und 
mit steifem Nacken an das Ufer. Sie hätten zwar gern noch einmal 
angefangen, allein der Muth war ihnen doch vergangen; auch ärgerten 
sie sich über das Gelächter der Leute, welche zugesehen hatten. Und 
wenn sie wieder an einen schmalen Steg kamen, so sahen sie sich erst 
um, ob nicht schon Jemand darauf ginge, und warteten lieber, bis der 
Steg leer war. 
5. Untreue. 
Eine Maus wäre gern über ein Wa3ser gewesen und konnte nicht. Da 
bat sie einen Frosch om Rath und Lliilfe. Der Frosch war ein Schelm und 
sprach zur Maus: „Binde deinen Fuss an meinen Fuss, so will ich schwim¬ 
men und dich hinüber ziehen!“ Da sie aber auf’s Wasser gekommen waren, 
tauchte der Frosch unter und wollte die Maus ertränken. Indem nun aber 
die Maus sich wehrt und arbeitet, stiegt eine Weihe daher und erhascht die 
Maus und zieht den Frosch auch mit heraus und — frisst sie beide. 
Merke: Untreue schlägt, ihren eignen Herrn. 
Wer Andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein. 
6. Fischlein. 
Fischlein! Fischlein! du armer Wicht, schnappe nur sa nach der 
Angel nicht! Geht dir so schnell zum Halse hinein, reißt dich blutig 
und macht dir Pein. Siehst du nicht sitzen den Knaben dort? Fisch¬ 
lein, geschwinde schwimme fort! 
Fischlein möcht' es wohl bester wisten, schaute nur nach dem fetten 
Bissen, meinte, der Knabe mit seiner Schnur wäre hier so zum 
Scherze nur. Da schwamm es herbei, da schnappt' es zu — nun 
zappelst du, armes Fischlein du! 
Wer nicht hören will, muß fühlen.
	        
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