Full text: Der kleine Kinderfreund

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fähr 4600 Schritten. Die Stadtmauer geht über den Berg Zion 
hinweg. Diese Stadt, einst so blühend und volkreich, ist jetzt nur noch 
ein Schatten ehemaliger Größe und zählt etwa 20,000 Einw., die 
meist in elenden Häusern von Stein oder Lehm, in engen, dunklen 
Straßen wohnen. Aber fast keinen Fußbreit Landes giebt es dort, 
der nicht heilige Erinnerungen hervorruft und den Pilger begeistert. 
Namentlich schließt die Kirche des heiligen Grabes die Stellen ein, 
welche bei der Erzählung von der Kreuzigung und Auferstehung des 
Heilandes erwähnt werden. Sie hat in der Länge 270 und in der 
Breite 150 Fuß und ist wie ein liegendes Kreuz gebaut. Tritt man 
in dieselbe hinein, so erblickt man zunächst die Stelle, wo der Leichnam 
Jesu einbalsamirt wurde, — einen Marmorstein; gleich links ist das 
heilige Grab, wo 27 schöne silberne, bestänvig brennende Lampen han¬ 
gen; etwas weiter rechts steigt man auf 18 Stufen zum Calvarienberge 
hinauf. In der Stadt sind auch verschiedene Klöster, in welchen die 
Pilger Aufnahme finden. An der Stelle, wo einst der Tempel Sa- 
lomo's stand, ist jetzt eine prächtige türkische Moschee erbaut, das 
schönste Gebäude der Stadt. Etwa 100 Schritte von Jerusalem stießt 
der Bach Kidron vorbei, an welchem Gethsemane lag, und etwas wei¬ 
ter ab erhebt sich der Oelberg. Eine Meile südlich von der Stadt 
liegt Bethlehem und nahe dabei ein großes Kloster, von der Kaiserin 
Helena gestiftet. Unter dem Thore der sehr schönen Kirche ist die 
Geburtsstätte des Heilandes, in Marmor prächtig ausgebaut. Unweit 
Bethlehem zeigt man das Feld der Hirten. „Wir gingen durch die 
Felsen," erzählt ein Reisender, „und erinnerten uns, wie David hier 
seine Heerden weidete und Psalmen sang, und wie der Prophet Sa¬ 
muel hier ankam, ihn zum Könige zu salben, und wie Davids und Got¬ 
tes Sohn hier unserer Welt erschien: als wir plötzlich ein herrliches 
grünes Thal erblickten, dessen Schönheit durch die nackten Felsen rings¬ 
um noch gehoben ward. Wie wir in das Thal hineinwanderten, war 
es uns, als sähen wir erfreut die Menge der himmlischen Heerschaaren, 
welche sich aus diesen grünen Platz herabließen, wo die Heerden ruhten, 
und als höreten wir ihren Gesang: „„Ehre sei Gott in der Höhe, 
und Friede auf Erden, und den Menschen ein Wohlgefallen!"" 
V. Gewächse aus der Fremde.*) 
338. 
Vor etwa 300 Jahren wußte kein Mensch in Europa etwas vom 
Kaffee; heutzutage meint jedes Kind, es müßte seine Tasse trinken, ehe eS 
:) Zusätze zu Nr. 230.
	        
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