Full text: Der kleine Kinderfreund

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66. Der kleine Friedensbote. 
^ Ein Gerber und ein Bäcker waren einmal Nachbarn, und die 
gelbe und weiße Schürze vertrugen sich aufs beste. Wenn dem Ger¬ 
ber ein Kind geboren wurde, hob es der Bäcker aus der Taufe, und 
wenn der Bäcker aus feinem großen Obstgarten an die Stelle eines 
ausgedienten Invaliden einen Rekruten bedurfte, ging der Gerber in 
seine schöne Baumschule und hob den schönsten Mann aus, den er da¬ 
rin hatte; eine Pflaume, oder einen Apfel, oder eine Birne, oder eine 
Kirsche, je nachdem er auf diesen oder jenen Posten, auf einen fetten 
oder magern Platz gestellt werden sollte. Ostern, Martini und hei¬ 
ligen Abend ging die Bäckerin, welche keine Kinder hatte, mit einem 
großen Korb unter dem Arme zu den Nachbarsleuten hinüber und 
theilte unter die kleinen Pathen aus, was ihr der Hase, oder der gute 
Märtel, oder gar das Christkindlein selbst unter die schneeweißen Tüch- 
lein gelegt hatten. Je mehr sich die Kindlein über die reichen Ga¬ 
ben freuten, desto näher rückten sich die Herzen der beiden Frauen, und 
man brauchte keine Zigeunerin zu sein, um zu prophezeihen, daß sie 
einander immer gut bleiben würden. 
Aber von den Männern hatte jeglicher einen Hund; der Gerber 
als Jagdliebhaber einen großen, braunen Feldmann und der Bäcker 
einen kleinen, schneeweißen Mordax. Beide meinten die besten und 
schönsten Thiere in ihrem Geschlechte zu haben. Und da geschah es 
denn eines Tages, daß Mordax ein Kalbsknöchlein gegen den Feld¬ 
mann behauptete; denn er hatte wahrscheinlich vergessen, daß es nicht 
gut sei, einem großen Herrn etwas abzuschlagen. Vom Knurren kam 
es zum Beißen, und ehe sich der Bäcker von seiner grünen Bank vor 
dem Hause erheben konnte, lag sein Hündlein mit zermalmtem Genick 
vor ihm, und der Feldmann lief mit dem eroberten Knochen davon. 
Sehr ergrimmt und entrüstet warf der Herr des Ermordeten dem 
Raubmörder einen gewaltigen Stein nach. Aber was half's? Die 
Handgranate flog nicht dem Hunde an den Kopf, sondern dessen Be¬ 
sitzer durch das Fenster mitten auf den Tisch, an dem er gerade die 
Zeitung las, und machte ein Loch hinein. Ohne zu fragen, woher der 
Schuß gekommen fei, riß der Gerber den zertrümmerten Fensterflügel 
aus und fing an zu schimpfen. Der Nachbar in der weißen Schürze 
und mit den aufgestülpten Hemdärmeln blieb nichts schuldig; Kinder 
und Leute liefen zusammen, und — Satan stand gewiß in einer Ecke 
der Gasse und blies mit vollen Backen in das Feuer. Der Bäcker 
verließ den Kampfplatz zuerst, aber nur um seinen Nachbar bei Ge¬ 
richt zu verklagen. Die Sonne ging über dem Zorne der beiden Män¬ 
ner unter, und den Tag darauf wurden sie vor Gericht geladen. Der 
Gerber wurde verurtheilt, den todtgebissenen Mordax mit einem Reichs-
	        
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