Full text: Lese- und Lehrbuch für den Bedarf der Volksschulen

174 
Dritte Periode, von 1100 bis 1300, oder erste Blüteperiode. 
Mantel, mit Zepter und Krone. Die Handschrift, welche ans der Schweiz 
nach Heidelberg gekommen und im Dreißigjährigen Kriege nach Paris ent¬ 
fuhrt war, ist feit 1888 durch Kauf der Heidelberger Bibliothek zurück¬ 
gewonnen. 
8 22. 
Des Minnesangs Frühling K 
Schluß eines lateinischen Liebesbriefes eines Mädchens (in der Bries¬ 
sammlung Wernhers von Tegernsee): 
Dü bist min, ich bin din : 
des solt du gewis sin. 
du bist beslozzen 
in minem herzen: 
verlorn ist daz slüzzelin: 
du muost immer drinne sin. 
Du bist mein, ich bin dein: 
Des sollst du gewiß sein. 
Du bist beschlossen 
In meinem Herzen: 
Verloren ist das Schlüsselein, 
Du mußt immer drinnen fein. 
Jer von Kürenöcrg. 
Der Ritter von Kürenberg, aus einem österreichischen Geschlechte in 
der Nähe von Linz, dichtete gegen das Jahr 1140 Lieder mit volkstüm¬ 
lichem Gepräge in einer Variation der Nibelungenstrophe. An den Traum 
der Kriemhilde erinnert das Liedchen: 
8er entflogene Fälln. 
Ich zog mir einen Falken 
Ein ganzes Jahr und mehr, 
Und als er zahm geworden 
Nach Wunsch mir und Begehr, 
Und ich ihm sein Gefieder 
Mit Golde wohl bewand: 
Da stieg er in die Lüfte 
Und flog hinaus in andres Land. 
Drauf sah ich den Falken 
Prächtig schweifen: 
Er führU an seinem Fuße 
Seidene Streifen, 
Und war ihm sein Gefieder 
Ganz rot von Gold. 
Gott bringe sie zusammen. 
Die einander lieb und hold. (Storck.) 
Spervogcl'. 
Spervogel, ein süddeutscher Spielmann, auch Herger genannt, der, 
wahrscheinlich zum Zeichen seines Pseudonyms, in der Pariser Handschrift 
dargestellt ist mit einem Speer, an den Vögel angespießt sind 2, dichtete 
1 Mit diesem Namen bezeichnet M. Haupt die Lieder und Leiche aus der 
Frühlingszeit des deutschen Minnesanges. 
2 Nach R. Schneider ist der Name „Spervogel" eher von (gotisch) sparva, 
d. t. Sperling, abzuleiten, als von der Waffe „Speer".
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.