Full text: L. Englmanns mittelhochdeutsches Lesebuch

led) auf weltliche Stoffe, Die Vorlagen hiefür holten sie sich aus Frankreich. 
Der erste Vorbote dieser neuen literarischen Strömung ist das Alexanderlied 
des Pfaffen Lamprecht, das den Zeitgenossen zugleich die Wunderwelt des 
Orients erschloß. Auf Anregung des Herzogs Heinrich des Stolzen bearbeitete 
ein Regensburger Priester Konrad das hervorragendste Erzeugnis der französischen 
Karlsdichtung, das Rolandslied. Der Held ist das Ideal eines christlichen 
Ritters, der mit seinem Schwerte sich die Martyrerkrone erkämpft. Aus demselben 
Regensburger Kreis stammt die Kaiserchronik (von Romulus bis 1144) mit 
apologetischer Tendenz (Christentum und KRittertum gegenüber Heidentum und 
Bauernstand). 
b) Weltliche Dichter (nationale Stoffe). 
Diesem Geschmack des Publikums am umfangreichen Leseepos mußten bald 
auch die weltlichen Berufsdichter Rechnung tragen, Sie gewinnen die nötige Er- 
weiterung durch Wiederholung der Motive und Verbindung mit fremden Traditionen, 
zeit den Kreuzzügen besonders mit solchen aus dem Orient; doch bleibt wenigstens 
der Kern der Erzählung deutsch, Das erste Epos weltlicher Kreise seit dem 
Hildebrandsliede ist König Rother!) (Brautwerbungs- und Entführungsgeschichte ; 
der königstreue Vasall Berchtung von Meran und der vasallentreue König; Neigung 
zum Burlesken). Ebenso führen uns die Abenteuer des Herzogs Ernst in den 
Orient. Beide Dichtungen stammen aus Bayern, 
Auch das Tierepos erhält jetzt eine nationale Färbung durch Einführung 
deutscher "Tiernamen, wenn schon der elsässische Fahrende Heinrich der 
Glichesaere (Gleisner d.i. Anonymus) seinen Reinhart Fuchs nach französischer 
Vorlage gestaltete. Mit der bald hinzutretenden Satire auf Mißstände im Ööffent- 
lichen Leben war dieser Dichtungsart ihr eigentümliches Gepräge gegeben. 
Die erste Blüteperiode der deutschen Dichtung unter den 
Hohenstaufen 1180—1300. 
‚Französischer Einfluß.) 
a) Das ritterliche oder höfische Epos. 
In den Kreuzzügen bildete sich ein ritterliches Standesbewußtsein und 
Standesideal heraus, das auch auf dem Gebiete der Dichtung künstlerischen Aus- 
druck zu gewinnen suchte. Frankreich ist die Heimat dieser neuen höfischen 
Bildung, als deren Kennzeichen diu mäze gilt (feiner gesellschaftlicher Ton und 
zugleich sittliches Maßhalten). In Deutschland geht die Bewegung von Westen 
nach Osten, ihre Träger sind die Ritter, ihre Stützpunkte die Fürstenhöfe. Sprach- 
ich zeigt sich der Fortschritt besonders in regelmäßigem Versbau und in reinen 
Reimen. Müundartliche Formen werden immer mehr vermieden und so führt die 
Konvention zu einer einheitlichen, nach ihren Grundlagen hochdeutschen Dichter- 
sprache, Leider macht sich auch Vorliebe für französische Fremdwörter breit. 
Als den Vater der kunstgerechten, ritterlichen Poesie im Epos sowohl wie 
in der Lyrik verehrten spätere Dichter selbst den niederrheinischen Ritter 
Heinrich von Veldeke, 
Er vollendete seine Eneide am Hofe des Landgrafen Hermann von 
Thüringen. Seine Quelle war keineswegs Vergil, sondern ein französischer Epiker, 
1) Übersetzung von Legerlotz (Velhagen). Nachdichtung von Zimmer (Hendel).
	        
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