Full text: Lesebuch für hannoversche Volksschulen

in einen Korb gelegt, und nun gehen die Knaben und Mädchen 
thalauf, um Beeren in den Bergen zum Verkauf zu sammeln. 
In dem nahen Walde können sie die Körbe noch nicht füllen; 
denn nur Moos und Farnkraut grünen im Schatten der Tannen, 
und keinerlei Frucht reift hier für den Menschen. Weiter zieht die 
suchende Schar, bis sich der Wald lichtet. Hier, wo die Tannen 
erst vor wenig Jahren weggeschlagen wurden, hat der wärmende 
Strahl der Sonne alsbald ein neues Leben entwickelt. Das Moos 
ist verschwunden, und seine Stelle hat die Erdbeere eingenommen. 
Sie breitet sich dicht an der Erde aus großen Plätzen aus und 
bietet ihre scharlachrothe Frucht auf dunkelgrünen Blättern dar. — 
Zwischen den Klippen, wo einst die Tanne emporwuchs, schwankt 
jetzt der Himbeerstrauch mit silberfarbigem Blatte, und neben ihm 
erhebt sich stolz der Fingerhut mit hohem Stengel und purpurnen 
Blüten, die in langer Reihe, Glocke an Glocke, bis zur Spitze des 
Stengels hinaufsteigen und ihn unter ihrer Last biegen. Noch manche 
Blüte und manches Kraut hat von der umgewandelten Stätte rasch 
Besitz genommen, auch manch Thierlein den lichten Platz aufgesucht. 
Neckische Eidechsen sonnen sich mit ihren klugen Augen auf den 
erwärmten Steinen; zirpende Grillen fliegen von Klippe zu Klippe; 
bunte Schmetterlinge flattern von Blume zu Blume, und ein Heer 
von Käfern kriecht an den Grashalmen auf und ab. Hierher zieht 
die Schar der Beerenleser, steigt zwischen den Klippen nach den 
Himbeeren, sucht an dem Boden nach den Erdbeeren und füllt die 
Körbe. So thun sie manches Jahr, bis von neuem ein junger 
Tannenwald emporwächst und all das bunte Leben unter seinem 
dunkeln Schatten wieder begrabt. Die Grille hört auf zu musicie¬ 
ren, der Käfer zu klettern; die Erdbeere blüht nicht mehr; die Lieder 
sind verstummt, bis nach aber hundert Jahren der Wald unter den 
Schlägen der Axt wieder zusammenstürzt. 
Die Holzhauer des Hartes. 
1. Die Beerengänger sind die ersten, welche am frühen Morgen 
unter Gesang in den Wald ziehen. Ihnen folgen die Holzhauer. 
Die sorgliche Frau hat vorher den Kober des Mannes mit Brot und 
Zubrot gefüllt; denn erst am Abend kehrt derselbe von seiner sauern 
Waldarbeit zurück. Den Lederkober an der Seite geht er in festem 
Schritt still und ernst dem Walde zu. 
Bald krachen die Bäume lmks und rechts. Die Axt fällt 
schallend auf den spaltenden Keil, und die Säge fährt schreiend 
durch den gefüllten Baum. Nackte, von der Runde entblößte 
Stämme liegen umher. Ihre Zweige sind in Bündel zusammen¬ 
gebunden; dre Rinde ist in Haufen zusammengestellt. Große Leiter¬ 
wagen halten an den Bergen, um die zerstücktew Bäume zu holen. 
Klappernd fahren sie den steilen Weg hinunter. Zwischen den 
Speichen^ der Räder hat man Tannenäste befestigt, um den raschen 
Laus des Wagens zu hemmen. Bei jeder Drehung des Rades 
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