Full text: Lesebuch für hannoversche Volksschulen

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haben auch schöne kleine Pferdlein mit güldenen Zäumen und sil¬ 
bernen Sätteln. Da fragte ich den Mann, des der Garten ist, wes 
die Kinder wären. Da sprach er: „Es sind die Kinder, die gern 
beten, lernen und fromm sind." Da sprach ich: „Lieber Mann, ich 
habe auch ein Sohnchen, heißt Hänschen Luther; dürste „der nicht 
auch in den Garten kommen, daß er auch solche schöne Apfel und 
Birnen essen möchte und solche feine Pferdlein reiten und mit diesen 
Kindern spielen?" Da sprach der Mann: „Wenn er gern betet, ler¬ 
net und fromm ist, so soll er in den Garten kommen, Lippus und 
Jost auch, und wenn sie alle zusammen kommen, so werden sie auch 
Pfeifen, Pauken, Lauten und allerlei Saitenspiel haben, auch tanzen 
und mit kleinen Armbrüsten schießen." Und er zeigte mir dort eine 
feine Wiese im Garten, zum Tanzen zugerichtet, da hingen eitel gül¬ 
dene Pfeifen, Pauken und silberne Armbrüste; aber es war noch früh, 
daß die Kinder noch nicht gegessen hatten, darum konnte ich des Tanzes 
nicht erharren und sprach zu dem Manne: „Ach, lieber Herr! ich will 
flugs hingehen und das alles meinem lieben Söhnlein Hänschen 
schreiben, daß er ja fleißig bete, wohl lerne und fromm sei, auf daß er 
auch in diesen Garten komme; aber er hat eine Muhme Lene, die muß 
er mitbringen." Da sprach der Mann: „Es soll so sein; gehe hin, 
und schreibe ihm also." 
Darum, liebes Söhnlein Hänschen, lerne und bete ja getrost, 
und sage es Lippus und Josten auch, daß sie auch lernen und beten, 
so werdet ihr mit einander in den Garten kommen. Hiermit sei dem 
allmächtigen Gott befohlen. 
59. Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren. 
Zu Tespe im Lüneburgischen lebte ein achtzigjähriger armer 
Mann, Georg Bergmann, mit seiner noch einige Jahre älteren Frau 
in elender Hütte. Diese und ein kleiner Garten war alles, was er 
erhalten konnte. Mancherlei Unglücksfälle hatten ihn in diese Armuth 
gestürzt, obschon er mit allem Fleiß und aller Sparsamkeit sein Brot 
zu erwerben und zu bewahren gesucht hatte. Das Alter hatte ihm 
fast das Augenlicht genommen und seine Frau ganz blöde gemacht. 
Da entstand Feuer zu Tespe, und in wenigen Augenblicken war die 
Hütte mit der ganzen kleinen Habe dieser betagten Eheleute ein.Raub 
desselben geworden. Kaum hörte Dorothea, ihre einzige Tochter, die, 
um ihr Brot sich zu erwerben, in der Ferne dienen mußte, von dem 
Unglücke ihrer Eltern, so bat sie um die Entlassung aus ihrem Dienste, 
welche ihr,wegen ihrer Brauchbarkeit nur ungern gewährt wurde, 
und eilte ihrer Heimat zu. Sie fand ihre alten Eltern jämmerlich 
in einer Scheuer liegen. Sogleich sorgte sie, daß sie in ein Haus 
gebracht wurden, und versprach für sie zu zahlen. Durch Fleiß und 
Sparsamkeit hatte sie sich etwas Geld und Kleidungsstücke erworben; 
davon wurden einstweilen die dringendsten Bedürfnisse befriedigt. 
Allein bald war dieser geringe Vorrath verzehrt. Da wandte sie 
mit der äußersten Anstrengung jeden Augenblick, den sie von der 
Pflege ihrer Eltern erübrigen konnte, zur Arbeit an, und mit Gottes
	        
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