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im Kothe, in Pfützen und auf dem Felde umher. Er gibt sich nicht
die geringste Mühe, anständig zu sprechen, sondern schreit in den Tag
hinein, wie es ihm in die Kehle kommt.
Der Nestbau macht ihm keine Sorge. Er vertreibt die Schwal¬
ben aus dem ihrigen. Muß er sich aber selber ein Nest bauen, so
kann er alles brauchen: Lumpen, Papierstreifen, Strohhälmchen, Fe¬
dern und Fäden.
Überall, wo es was zu fressen und zu naschen gibt, bat er
seine Augen. Er benimmt sich, als ob die Kirschen für ihn allein
gewachsen wären. Fangen sie zu reifen an, so holt er sich zur
Probe davon. Sind sie erst reif, so kennt er vom frühesten Morgen
bis zum spätesten Abend keine andere Beschäftigung, als Kirschen
zu essen. Auch junge Erbsen nascht er gern. — Drei Vierteljahre
lebt er in Überfluß. Im Garten und auf dem Felde führt er seine
Stehlereien aus, und die Erntezeit bringt er ganz auf dem Felde zu,
wo er haufenweise von Garbe zu Garbe schwirrt. Ist das Feld leer,
so zieht er sich in die Straßen der Städte und die Höfe und Ställe
des Landmanns zurück. Kälte und Hunger dringen auf ihn ein. Da
sitzt er geduckt, die Federn ringsum aufgeblasen, den Kopf zwischen die
Schultern gezogen; oder er hockt in geschützten Winkeln, sucht einen
Schornstein, um den Strahl der Wintersonne oder den Hauch des Herd¬
feuers aufzufangen. Doch weiß er sich auch Nahrung zu verschaffen.
Hält ein Fuhrmann mit seinen Pferden vor einem Wirtshause und
der Hausknecht bringt den Futtertrog, so ist auch der Spatz schon da
und holt sich sein Theil Hafer oder Brot. Werden die Hühner gefüt¬
tert, so läßt er gewiß nicht auf sich warten; jagt man ihn weg, so fliegt
er kaum einen Schritt beiseits, und man merkt ihm nicht die geringste
Verlegenheit an. Kaum hat man den Rücken gewandt, so ist er wie¬
der da und läßt sichs gut schmecken. So folgt er auch dem Drescher in
die Scheune und dem Knechte auf den Futterboden. Vom Reisen ist er
kein Freund; er bleibt lieber im Winter daheim und denkt: „Ich kann
mir ja mit Stehlen helfen." Ist das nicht arg? Werdet nicht wie die
Spatzen!
77. Jugend ist Saatzeit.
Äugend ist Saatzeit! Ohne Garben mußt du darben! Wie
gehts, wenn du ins Alter trittst und hast keinen Nothpfennig? Da
gehts, wie in der Fabel, wo die Grille im Winter zur Ameise
kommt und sagt: „Gib mir was zu essen!" Die Ameise fragt sie.
„Was hast du denn im Sommer gethan?" „Gepfiffen," sagt die
Grille, und die Ameise sagt darauf: „Hast du im Sommer, wo ich
arbeitete, gepfiffen, so magst du im Winter tclnzen." Und gab ihr
nichts. Verstanden, Lieber?
Morgens fängt der Tag an. Jung gewohnt, alt gethan.
Wem die Augen in der Jugend ausgestochen sind, der sieht
sein Lebtage nichts mehr. Wohl begonnen ist halb gewonnen.
Wer viel anfängt, endet wenig. Wer den Kern eisen will, muß
die Nuß knacken. Arbeit hat bittere Wurzel, aber süße Frucht.