Full text: Lesebuch für hannoversche Volksschulen

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müßt ihr euem alten Plunder, den Stolz, die Hoffahrt, den Geiz 
Neid u. s. w. wegschaffen und lauter neue Habseligkeiten anschaffen: 
Glaube, Liebe, Sanftmuth, Demuth; die könnt ihr aber alle umsonst 
haben bei unserm Herrn Jesu Christo.« So sprach der Pfarrer, und 
stin Wort fand Eingang bei der angefochtenen Seele, daß sie erklärte: 
„Nun, Herr Pfarrer, ich will ihrem Rathe folgen." 
93. Nimm fürlieb, wie Gott es beschert. 
Äer Kaiser Rudolf von Habsburg lag vor einer festen Stadt. 
Als nun im Heere Mangel an Fleisch und hernach auch an Brot 
eintrat und das Kriegsvolk hart darüber klagte, ging er auf die 
Rübenäcker, welche vor der Stadt waren, zog Rüben auf und aß die, 
zeigte sie seinen Kriegern und sprach: Weil wir die noch haben können, 
sterben wir weder Hungers noch Durstes. Darum brauchet des und 
wartet geduldig, bis Besseres kommt. 
94. Stadtmaus und Feldmaus. 
Eine Stadtmaus ging spazieren und kam zu einer Feldmaus. 
Die that ihr gütlich mit Eicheln, Gerste, Nüssen, und womit sie 
konnte. Aber die Stadtmaus sprach: „Du bist eine arme Maus; 
was willst du hier in Armuth leben? Komm mit mir; ich will dir 
und mir genug schaffen von allerlei köstlicher Speise!" Die Feldmaus 
zog mit ihr hin in ein herrlich, schön Haus, darin die Stadtmaus 
wohnte, und gingen in die Speisekammer. Da war vollauf von 
Brot, Fleisch, Speck, Würsten, Käse u. s. w. Da sprach die Stadt¬ 
maus: „Nun iß und sei guter Dinge; solcher Speise hab ich täglich 
überflüssig." 
Indes kommt der Kellner und klirrt mit den Schlüsseln an der 
Thür; die Mäuse erschrecken und laufen davon. Die Stadtmaus 
findet bald ihr Loch; aber die Feldmaus weiß nirgend hin, läuft die 
Wand auf und ab, und bringt kaum ihr Leben davon. 
Da nun der Kellner wieder hinaus ist, spricht die Stadtmaus: 
„Es hat nun keine Noth; laß uns guter Dinge sein." Die Feld¬ 
maus antwortete ^Du hast gut sagen; du wußtest dein Loch fein 
zu treffen, dieweil bin ich schier vor Angst gestorben. Ich will dir 
sagen, was die Meinung ist: Bleib du eine reiche Stadtmaus und 
friß Würste und Speck; ich will ein armes Feldmäuslein bleiben 
und meine Eicheln essen. Du bist keinen Augenblick sicher vor dem 
Kellner, vor den Katzen, vor so vielen Mausefallen, und ist dir das 
ganze Haus feind; solches alles bin ich frei und sicher in meinem 
armen Feldlöchlein." 
95. Vom Hunde im Wasser. 
Es lief ein Hund durch einen Wasserstrom und hatte ein 
Stück Fleisch im Munde. Als er aber den Schemen vom Fleisch im 
Wasser sieht, wähnt er, es wäre auch Fleisch, und schnappt gierig dar¬ 
nach. Da er aber das Maul aufthat, entfiel ihm das Stück Fleisch,
	        
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