6 Erste Abtheil. Ueb. das verstand, u. schöne Lesen.
und Füßen wer's richtig lesen will wird Zeichen setzen müssen.
Das Lesen gewinnt sehr an Verständniß, wenn diese Pause¬
zeichen gehörig innegehalten werden; es kommt nur auf Ge¬
wöhnung und Aufmerksamkeit an, um das Pausiren bei dem
Lesen zu lernen.
8. 8.
Das schöne Lesen.
Ihr denkt nun vielleicht, wenn ihr mechanisch und ver¬
ständig lesen könnt: Nun können wir vollkommen lesen. Nein,
meine lieben Kleinen, so geschwind geht die Sache nicht. Ihr
müßt noch Etwas dazu lernen; doch das ist dann auch das Letzte
und wenn ihr das gelernt habt, so könnt ihr vollkommen lesen.
Ihr müßt nämlich auch schön lesen können. Dieses könnt ihr
dann, wenn das Zeitmaß, nach welchem ihr les't, und der
Ton, mit welchem ihr les't, dem Inhalte des Gelesenen ent¬
spricht und man dem Lesen abmerkt, ob etwas Trauriges oder
Freudiges oder Bewundernswerthes, Drohendes, Schmeicheln¬
des, Kummervolles rc., eine Frage oder ein Ausruf ausge¬
drückt werden soll. Wer schön lesen will, der muß den Ton
hoch und tief tönen lassen und ohne Mühe langsam und auch
wieder, wie es gerade der Inhalt des Gelesenen mit sich bringt,
sehr schnell lesen können.' Darüber lassen sich sehr viele Regeln
geben; doch helfen gewöhnlich alle Regeln nicht viel, wenn
das Gefühl für ein solches Lesen nicht vorhanden ist. Diesem
eurem Gefühle überlasse ich denn auch das schöne Lesen und
erwarte von euch, daß ihr ein Sterbelied nicht wie ein lustiges
Lied, eine Bitte nicht wie einen Befehl, einen Erzählungs¬
satz nicht wie einen Ausrufesatz lesen, sondern den Ton und
die Bewegung eurer Stimme dem Inhalte des zu Lesenden
stets anpassen werdet. Es folgen nun in eurem Lesebuche
eine Menge schöner Lieder und kräftiger Sprichwörter mit
einigen Erzählungen und Beschreibungen. An diesen Lese¬
stücken, so wie an allen Abschnitten des Lesebuches, könnt und
sollt ihr eure Lesekunst üben und zeigen. Doch nicht bloß zur
Leseübung habe ich euch die nachfolgenden Lieder und Sprich¬
wörter mitgetheilt; ihr sollt sie auch auswendig lernen und den
frommen und sittlichen Sinn, der sich in ihnen ausspricht, euch
zu eigen machen.