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I. Erzählungen
den. Andere kamen Immer in höhere Klassen, und er
mußte zurückbleiben. Wenn Andere gelobt wurden. so
wurde er getadelt. Oft bekam er Strafe. Dadurch wur¬
de ihm die Schule immer verhaßter, und als er sie ver¬
ließ, war er so unwissend, daß ihn jedermann verachtete.
— Hebr. i3, 17.
Z6. RudoIphine, ober: man muß sich
nicht verzärteln.
Kein zärtlicheres weichlicheres Mädchen war in der
ganzen Stadt Sraubberg, als die kleine Ruoolphme.
Wenn es ein wenig kalt war, so wäre sie um alles in der
Welt willen nicht aus dem Hause gegangen, — sie dach¬
te, daß sie erfrieren müßte. War es ein bischen warm,
„ach, sagte sie. da muß man ja verbrennen'.'- Wenn ein
Lüftchen draußen ging. so sprach sie: „ das ist em er¬
schrecklicher Wind!" und wenn nur ein Tröpfchen Regen
vom Himmel fiel, so eilte sie. daß sie nach Haufe kam.
Rudolphine wurde ein so verwöhntes Mädchen, daß
sie von jeder kleinen Aenderung des Wetters krank wurde.
Jede rauhe Luft, in welche sie gegangen war, brachte ihr
Zahnweh oder Schnupfen und Fieber. Am schönsten und
wärmsten Abend gerrauere sie sich kaum einen Augenblick
in freier Luft zu seyn. — Wie bedauerte sie ee, da sie
verständiger geworden war, daß sie sich so verwöhnt hat¬
te. — „Ich bin ein elendes Geschöpf, sagte sie, ich muß
doch in der Luft und tm Werter leven, und habe mich
nicht gewöhnt, Luft und Witterung zu ertragen. Wie
oft muß ich in der Stube bleiben, wenn Andere draußen
fröhlich sind. “ Rudolphine bedauerte es sehr, als sie
verständiger geworden war, daß sie sich nicht mehr abge¬
härtet hatte; - allein leider war das nun zu spät!
37. Die kranke Mutter.
Frau Gutfeld war in einer Nacht plötzlich krank ge¬
worden : sie hatte einen heftigen Kopfschmerz, empfand
einen unerträglichen Durst, den sie mit allem Trinken nicht
stillen konnte, und hatte abwechselnd bald große Hitze,
bald so starken Frost, da-ß sie mit den Zahnen klapperte.
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