Full text: Vaterländisches Lesebuch für die Evangelische Volksschule Norddeutschlands

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arme Leute zum Bäcker und holten das Brot ab; aber sie gaben kein Geld 
dafür, sondern sie zeigten nur einen Schein von dem Kaufherrn vor und 
empfingen dann, was auf dem Blättlein geschrieben stand. 
In Frankfurt waren drei Schulen, und darin viele Kinder reicher 
und armer Leute durcheinander. Der Lehrer ließ die Kinder der reichen 
Leute vormittags um die elfte und nachmittags um die dritte Stunde 
heim; die armen Kinder aber blieben auf ihren Bänken sitzen und warteten, 
bis der Knecht des Bäckers kam. Der trug einen großen Brotkorb auf 
dem Kopfe und gab einem jeglichen Kinde zwei oder drei Semmel, außen 
so gelb wie eine Citrone und innen so weiß und locker wie Baumwolle. 
Dies Weißbrot war auch von dem Kaufherrn. 
So fuhr der Kaufherr fort zu thun, bis das Schwalbenpaar, welches 
auf seiner Hausflur nistete, wieder da war und ihm ansagte, daß alle 
Schnecgänse wieder heimgegangen wären. 
Nun hätte der Schaffner des Kaufmanns längst gern wissen mögen, 
warum sein Herr das Kornhaus öffnete, wenn die Schneegänse kamen, und 
es wieder schloß, wenn sie gingen. Deshalb fragte er ihn eines Abends 
darum, als sein Herr fröhlich war in seinem Garten, der unten vor dem 
Thore lag. Der Hausherr schwieg anfangs still; doch darauf wandte er 
sich zu seinem Diener und sprach leise die Worte: „Johann, ich weiß, daß 
du von dem allem nichts wieder sagst, so lange ich lebe; darum höre. 
Mein Vater war ein armer Schuhflicker im Oberlande, und auf seinem 
Grund und Boden wuchs ihm nicht mehr Getreide, denn drei oder vier 
Aehren des Jahres, nämlich in seiner Dachrinne, wenn einmal ein Sperling 
ein Korn darin liegen ließ. Dazu hatte er sechs Kinder, und wenn er uns 
das Vesperbrot geben wollte, so hatte er oft nichts zu schneiden. Deshalb 
schaffte er das Vesperbrot zwischen Martini und Lichtmeß ganz ab, weil er 
bei sich dachte: Um elf Uhr wird zu Mittag gegessen und um fünf Uhr zu 
Abend; da brauchen die Kinder kein Vesperbrot. Und wenn doch eins von 
den kleinsten in dieser Fastenzeit die Tischlade aufzog und sie leer fand, 
pflegte der Vater zu sagen: Die Schneegänse sind gekommen und haben 
das Brot mitgenommen. — Seit dieser Zeit wird es mir immer so wun¬ 
derlich um's Herz, wenn ich die Schneegänse höre." 
So sprach der Herr des Schaffners. — Der Erzähler aber wünscht, 
cs möchten alle reichen Kaufherren wie der Kaufmann Sondersleben auf das 
Vogelgeschrei achten, im Winter auf die Gänse und im Sommer auf die 
jungen Sperlinge, welche rufen: Gieb, gieb! 
133. Sommerlied. 
1. Geh' aus,meìnHerz,undsuche Freud' 
in dieser lìeben Sommerzeìt 
an deines Gottes Gaben; 
schau' an der schbnen Garten Zier 
und fiche, wie sic mir und dir 
sich ausgeschmiicket haben. 
2. Die Bäume stehen voller Laub, 
das Erdreich decket seinen Staub 
mit einem grünen Kleide. 
Narziffen und die Tulipan, 
die ziehen sich viel schöner an, 
als Salomonis Seide.
	        
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