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211. Der hörnene Siegfried.
(Deutsche Heldensage.)
1. Wie Siegfried hörnen ward.
In Niederland wohnte in uralter Zeit ein König, Namens Siegmund,
der weithin berühmt war durch seine grosze Macht. Dessen Sohn hiesz
Siegfried; der Knabe war aber von unbändiger Kraft, und all’ sein Trachten
ging dahin, dasz er in die Fremde zöge, um Abenteuer zu bestehen. End¬
lich gab der König dem Wunsche seines Sohnes nach und liesz ihn ziehen.
Siegfried kam bald in ein Dorf, das vor einem Walde lag. Dort ver¬
dang er sich bei einem Schmidt, um sich Waffen schmieden zu lernen.
Aber er schlug so gewaltig auf das Eisen, dasz dieses zersprang und der
Ambos in die Erde getrieben ward. Der Meister fürchtete sich deshalb
vor ihm und suchte des wilden Gesellen sich wieder zu entledigen. Er
schickte ihn daher in den nahen Wald zu einem Köhler; aber unterwegs
muszte Siegfried an der Höhle eines gräulichen Drachen oder Lindwurmes
vorbei, und dieser, dachte der Meister, würde den jungen Helden todten.
Wirklich fuhr der Drache auf den nichts ahnenden Wanderer los, aber
Siegfried wehrte sich und erschlug ihn. Darauf ging er weiter und gerieth
bald in eine Wildnisz, in welcher es von Drachen, Kröten und anderem
giftigen Gewürm wimmelte. Ohne sich zu besinnen, risz er eine Menge
der stärksten Bäume aus der Erde, warf sie auf die Unthiere und zündete
dann den ganzen Holzstosz an. Aber von der Glut begann die Hornhaut
der Ungetlnime zu schmelzen, und ein Strom von dieser Masse flosz unter
dem brennenden Haufen hervor. Neugierig tauchte Siegfried seinen Finger
hinein, und siehe da! als er erkaltet war, hatte ihn eine undurchdringliche
Hornhaut überzogen. Da bestrich sich der Held den ganzen Leib aus
diesem trägen Strom, und so ward er ganz mit Horn überzogen, also dasz
ihn kein Schwert verwunden konnte; nur zwischen den Schultern blieb
auf dem Rücken eine Stelle, die er nicht zu erreichen vermochte. An dieser
sollte er frühzeitig den Tod empfangen.
2. Wie Siegfried Kriemhilden suchte.
Hierauf zog Siegfried auf weitere Abenteuer in die Ferne und kam
nach Worms, am Rheine, wo der König Gibich herrschte. Derselbe hatte
drei Söhne und eine wunderschöne Tochter, Namens Kriemhild. Gern
hätte Siegfried diese als seine Gemahlin heimgeführt, und auch sie war
dem herrlichen jungen Helden gewogen: aber eines Mittags, als sie, in
Gedankenverloren, in einem offenen Fenster stand, kam ein riesiger Drache
durch die Luft dahergeflogen und entführte sie, um sie zu seiner Gemahlin
zu machen. Von dem Feuer, welches er ausathmete, ward die Burg so hell
erleuchtet, als ob sie in Flammen stünde. Er trug sie aber weit, weit weg
in eine ungeheure Berghöhle, wo er sie mit Speise und Trank reichlich
versorgte und ihr alle Liebe und Freundlichkeit erwies; aber die Jung¬
frau weinte und klagte und sehnte sich nach ihrem elterlichen Hause, und
dabei fürchtete sie sich vor dem gräulichen Ungethüm, denn wenn es ath¬
mete, so zitterte und bebte der Berg unter ihm.
Der König Gibich schickte Boten aus nach allen Richtungen, um
seine verlorene Tochter zu suchen, aber keiner fand eine Spur von ihr.
Darüber war viele, viele Tage lang groszes Trauern und Klagen in der
Königsburg. Siegfried aber ward indessen ein gewaltiger Held von solcher
Stärke, dasz er Bären lebendig erjagte und zum Spott an die Bäume hing.
Doch auch er fand trotz seines rastlosen Suchens nirgends die geraubte
Jungfrau. Da verfolgte einmal sein treuester Hund eine seltsame Spur,
und Siegfried jagte ihm eifrig nach, ohne an Schlaf oder Trank und Speise