Kirchengeschichtliches.
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O folg' ihm stets hienieden,
dem Engel der Geduld!
2. Er führt dich immer treulich
dureh alles Erdenleid
und redet so erfreulich
von einer schönern Zeit.
Denn willst du ganz verzagen,
hat er doch guten Uut;
er hilft das Kreuz dir tragen
und macht noeh alles gut.
3. Er macht zu linder Wehmut
den herbsten Seelenschmerz
und taueht in stillo Demut
das ungestüme Herz.
Er maceht die finstre Stunde
allmählieh wieder hell;
er heilet jede Munde
gewiss, wenn auch nicht sehnell.
4. Er ꝛürnt nicht deinen Thränen,
wenn er diceh trösten will;
er tadelt nicht dein Sehnen,
nur macht er's fromm und still.
Und wenn in Sturmes Toben
du murrend fragst: warumꝰ
so deutet er nach oben,
mild lãchelnd aber gtumm.
5. Er hat für jede Prage
nicht Antwort gleieh bereit;
sein Wahlsprueh heisst: Ertrage!
dis Ruhstatt ist nicht weit.
So geht er dir zur Seite
und redet gar nieht viel
und denkt nur in die Weite,
ans sehöne, grosse Ziel.
Spitta.
222. (VI. b.) Luthers Vater.
Aus dem großen Quell aller Volkskraft, aus dem freien Bauernstande,
kam Luther herauf. Sein Vater zog von Möhra, einem Waldorte des
thüringischen Gebirges, zu Bergmannsarbeit nordwärts in das Mansfeldische.
So stammt der Knabe aus einer Hütte, in der die alten Schauer vor den
Geistern des Fichtenwaldes und der finstern Erdspalte, die als Eingang zu
den Metallgängen des Gebirges galt, noch stark und lebendig waren.
Luthers Vater, von gedrungener Kraft, fest im Entschluß, begabt mit
einem ungewöhnlichen Maße klugen Menschenverstandes, hatte sich nach hartem
Kampfe zu einiger Wohlhabenheit durchgearbeitet. Er hielt strenge Zucht in
seinem Hause; noch in späten Jahren dachte Luther mit Wehmut an die
harten Strafen, die er als Knabe erlitten, und an den Schmerz, den sie
seinem Kindesherzen gemacht hatten.
Der alte Hans Luther hatte bis zu seinem Tode im Jahre 1530 Ein⸗
fluß auf das Leben seines Sohnes. Als sein Martin mit zweiundzwanzig
Jahren heimlich in das Kloster gegangen war, zürnte der Alte heftig; er
hatte damals schon daran gedacht, den Sohn durch gute Heirat zu versorgen.
Und als es endlich Freunden gelang, den empörten Vater zur Versöhnung
zu bringen, als er dem flehenden Sohne wieder gegenübertrat und dieser
gestand, daß eine furchtbare Erscheinung ihn zum stillen Gelübde des Klosters
getrieben habe, warf ihm der Vater die bekümmerten Worte entgegen: „Gott
gebe, daß es nicht ein Betrug und teuflisch Gespenst war!“ Und noch mehr
Jugendfreund. 7. Auflage.
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