Full text: [Teil 4 = Tertia, [Schülerband]] (Teil 4 = Tertia, [Schülerband])

101 
Geldstück in seinen Kasten hinter das kupferne Zahlbrett geschoben, auch 
der Rat ist zufrieden: es ist nur einer tödlich verwundet worden, da¬ 
gegen einige Marktdiebe gefangen, schlechtes Volk, das hie und da da¬ 
heim ist; der Nachrichter wird keine große Arbeit haben. 
Gustav Freytag. 
19. Franz von Sickingen. 
a) Wie der französische König den deutschen Ritter gewinnen möchte. 
Der Name des tapfern Franz von Sickingen war längst auch in 
fremde Lande gedrungen. König Franz I. von Frankreich glaubte an 
ihm den Mann zu finden, welcher einst seine Absichten auf den deutschen 
Kaiserthron kräftig unterstützen könnte. Da er selber fest an den Grund¬ 
sätzen des alten Ritterwesens hing, die seinem Hang zur Pracht und 
Freude schmeichelten, so lud er den edlen deutschen Ritter zu sich nach 
Amboise ein, und ein solcher Ruf war viel zu schmeichelhaft, als daß 
ihn Sickingen hätte ausschlagen können. Sein guter Freund und Waffen¬ 
genosse, Robert von Sedan, Graf von der Mark, und dessen Sohn führten 
ihn nach Frankreich, und zwölf deutsche Ritter waren in seinem Gefolge. 
Dies wurde selbst am französischen Hofe für glänzend und ansehnlich 
gehalten. Die Aufnahme übertraf alle Erwartung des Gastes, sie war 
höchst ehrenvoll. Dem jungen, lebhaften König gefiel der gerade Sinn 
des deutschen Ritters, er bewunderte die Geschwindigkeit seines Aus¬ 
drucks und den gebildeten Verstand, der aus jeder Rede leuchtete. Das 
Geschenk einer goldenen Kette im Werte von 3000 Thalern war ein 
entsprechender Beweis von der Zuneigung des Königs und von seinem 
Wunsch, sich den Helden geneigt zu erhalten. Zu dieser Kette fügte 
Franz noch andere Geschenke und das Versprechen eines Jahrgeldes von 
3000 Franken. Auch die Ritter im Gefolge des Franz von Sickingen 
wurden mit goldenen Ketten von 500 bis 1000 Thalern an Wert be¬ 
schenkt. Solche Freigebigkeit hätte wohl minder edle Gemüter an das 
Ausland gefesselt, nicht aber den ehrenwerten Sickingen. 
Es beklagten sich kurz darauf mehrere deutsche Handelsleute bei 
ihm über die Mailänder wegen rückständiger Schuldforderungen. Der 
Ritter fand ihr Verlangen gegründet und nahm hierauf einen Waren¬ 
zug weg, der von Mailand nach Deutschland ging. Der französische 
König, dem damals das mailändische Gebiet Unterthan war, wurde höchst 
aufgebracht, als ihm die Mailänder die erlittene Unbill klagten; er ließ 
die Beute von Ritter Franz zurückfordern, erhielt aber eine derbe deutsche 
Antwort: „In Rechtssachen kümmere ich mich außerhalb Deutschlands 
um niemand." Der König Franz entzog ihm nun den bedeutenden 
Jahresgehalt; dafür gewann aber der Ritter einen Freund an dem neu¬ 
erwählten deutschen Kaiser Karl V., der ihm ein gleiches Jahrgeld bewilligte.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.