Full text: Vaterländisches Lesebuch für die Evangelische Volksschule Norddeutschlands

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jedoch in einem halb gezähmten Zustande, indem der Mensch sie zwingt, in 
gemachten Wohnungen ihre kunstreichen Bauten von Wachs anzulegen. 
Die Königin, von welcher sich in der Regel nur eine einzige in dem Stock 
befindet, ist die Seele des Ganzen, weil von ihr das Wohl und Weh des 
ganzen Volkes abhängt; sie vermeidet daher jede Gefahr und fliegt nur 
dann aus, wenn sie sich an die Spitze eines jungen Schwarmes stellt, um 
eine neue Kolonie zu gründen. Es geschieht dies, wenn sich eine oder 
mehrere junge Königinnen im Schwarm gebildet haben. Hält sie aber 
schlechtes Wetter ab, zu schwärmen, so tödtet sie die junge Königin 
noch in der Wiege, oder, wenn sie diese verlassen hat, mitten unter dem 
müssig zuschauenden Volke. Glückt ihr jedoch dies nicht, so schließen sich 
dem Schwarme oft mehrere Königinnen an, die aber, sobald die junge Ko¬ 
lonie eine neue Wohnung bezogen hat, bis auf eine getödtet werden. Sie 
hat am Rande des Wachskuchens gegen 15 Zellen, die größer als die übrigen 
sind, und welche Wechselhäuschen genannt werden. Schon am neunten 
Tage nach ihrer vollständigen Entwickelung, vom Februar bis zum Ende 
des Sommers, legt sie an 40,000 Eier, von welchen immer eins in jede 
einzelne Zelle gelegt wird. Aus diesem Ei entsteht in drei Tagen eine 
Made, die im Anfang mit einem weißlichen geschmacklosen Brei von den 
Arbeitsbienen gefüttert wird und erst später einen mehr honigartigcn Brei 
erhält. Hat die Made ihr Wachsthum erreicht, so bedarf sie keiner weite¬ 
ren Nahrung, und die Arbeiter schließen die Zelle mit einem Wachsdeckel. 
Die Made verpuppt sich nun in einem feinen seidenartigen Gespinnst und 
kommt als vollkommenes Jnsect, 13 Tage nach ihrem Einschließen, aus 
der von ihr geöffneten Zelle hervor. Ist dies geschehen, so wird die Zelle 
von den Arbeitsbienen gereinigt und der neue Gefährte auch gefüttert. 
Die Zelle einer jungen Königin ist dick, auswendig mit Grübchen 
versehen, und hat so starke Wände, daß 150 gemeine Zellen daraus ge¬ 
macht werden könnten: hat sie ihren Dienst gethan, so wird sie abgetragen 
und anders verwendet. 
Die Zahl der Arbeitsbienen ist die bedeutendere und von ihnen wer¬ 
den alle Arbeiten verrichtet, Honig und Blumenstaub eingetragen, Wachs 
für die Zellen bereitet und die Wohnung gegen Eindringlinge geschützt und 
vertheidigt. 
Die Biene sammelt den Honig, mit dem Rüssel leckend, meistens aus 
den Kelchen der Blüten, und verschluckt ihn gleich; den Blumenstaub sam¬ 
melt sie entweder mit den Kiefern, von welchen er mit den Vorderbeinen 
genommen und den Mittelbeinen übergeben wird, die ihn an die Schaufel 
der Hinterbeine befestigen, oder sie sammelt ihn auch mit allen Haaren des 
Körpers und bringt später ihn an die Schaufel der Hinterfüße. Der Honig, 
sowie das mit Blumenstaub und anderen Flüssigkeiten gemischte sogenannte 
Honigbrot, werden in Zellen aufbewahrt. 
Der Stich der Bienen, da der Stachel Widerhäkchen hat, erregt Ge¬ 
schwulst, und man hat traurige Beispiele, daß sie selbst Menschen und Thiere 
öfters ungereizt anfielen und jämmerlich zurichteten.
	        
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