Full text: Preußischer Kinderfreund

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Da wurde denn manches Haus an den Ufern fortgerissen, 
und mancher Mensch verlor sein Leben in den Fluthen. 
'Zu Verona in Italien war eine große Brücke über die 
Etsch gebaut, einen Fluss, der von hohen Schneegebirgen in 
Tyrol nach Italien hinunterströmt, und desswegen sehr rei¬ 
ßend ist. Auf der Brücke stand ein Häuschen, in welchem 
der Empfänger des Brückenzolles mit seiner Familie wohnte. 
Bei dem schnellen Anwachsen des Stromes sah er sich plötz¬ 
lich vom Wasser umgeben: ja die Macht des Eisgangs war 
so groß: dass mehrere der auf Steinen ausgemauerten Pfei¬ 
ler, auf welchen die Bogen der Brücke ruhten, zusammen¬ 
brachen, so dass auch die letzter» einstürzten. 
Der Theil der Brücke, wo das Häuschen des Einneh¬ 
mers stand, blieb am längsten stehen, weil er auf den stärk¬ 
sten Pfeilern ruhte. Es lag aber vor Augen, dass auch er 
mit der Zeit zusammenstürzen musste. Der arme Mann und 
seine Frau und Kinder erhoben ein klägliches Geschrei um 
Hülfe. Viele tausend Menschen standen am Ufer und hör¬ 
ten cs; gewiss fühlten sie auch alle mit dem Unglücklichen 
Mitleid. Aber es schien eine offenbare Unmöglichkeit, mit 
einem Kahne durch den reißenden Strom und die großen 
Eisschollen bis zu den Flehenden hindurch zu dringen und 
glücklich zurück zu kommen. 
Endlich kam ein Graf, Namens Spolverini, zu Pferde 
an das Ufer, und wie er die Noth der bedrängten Familie, 
von der er gehört hatte, wirklich so fand, hob er einen Beu¬ 
tel mit zweihundert Dukaten in die Höhe und rief laut, 
dass er sie dem zusage, der die Unglücklichen retten werde. 
Aber die Ueberzeugung einem gewissen Tode entgegen 
zu gehen, hielt alle, auch die Schiffer ab, den Versuch zu 
wagen. Jndess stieg das Wasser immer höher und umgab 
die Hütte des Aufsehers immer enger. 
Da trat ein österreichischer Bauer hinzu, hörte den Angst¬ 
ruf der armen Menschen und fühlte fern Herz davon er¬ 
griffen. Er springt in einen der Kähne am Ufer und wagt 
es, sich durch Schotten und Fluthen hindurchzuarbeiten. Es 
gelingt; glücklich kommt er bei dem Hause an. Aber der 
Aufseher hat eine zahlreiche Familie, und der kleine Kahn 
durfte nicht überladen werden. 
Der Bauer nimmt also vorerst drei Personen in den¬ 
selben auf, und bringt sie wohlbehalten an's Lanh. Darauf 
wagt er das schwere Werk noch zweimal und es gelingt ihm
	        
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