Full text: Preußischer Kinderfreund

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hatte und viele Waaren kaufte und verkaufte. Alleö in sei¬ 
nem Hause sah prächtig aus. Die Wände waren mit Ta¬ 
peten beklebt, die Fußböden mit Teppichen belegt, und Herr 
und Frau gingen in lauter Sammet und Seide. Im Stalle 
standen 4 Füchse für die Kutsche und ein Schimmel zum 
Reiten. Dieser Schimmel war das schnellste Pferd in ganz 
Wineta, und Usedom (so hieß der Kaufmann) nannte ihn 
nur seinen lieben Spring — in — den — Wind. Eines 
Tages ritt Usedom in den Wald, um zu sehen, ob seine 
Waaren noch nicht ankämen, die er erwartete. Plötzlich 
sprangen 6 Räuber auf ihn zu, und hätte nicht der Schim¬ 
mel durch seine Blitzesschnelle den Herrn gerettet, nimmer 
würde er Wineta wieder gesehen haben. Denn der eine 
Räuber hatte schon den Zaum des Pferdes ergriffen, und der 
andre hielt eine große Stange vor, über die aber der 
Schimmel wegsetzte. 
95. 
Fortsetzung. 
Ueber und über war der Schimmel mit Schaum be¬ 
deckt, als er seinen Herrn nach Wineta zurückbrachte, und 
dieser nahm sich vor, ihn nie zu verkaufen und ihn nie zu 
verstoßen, sondern ihm täglich 3 große Metzen Hafer zu ge¬ 
ben, bis er stürbe. Doch allmählich vergaß es Usedom, dass 
er dem Schimmel sein Leben verdankte und gab ihm nur 
noch 2 kleine Metzen Hafer. Der Schimmel hatte sich näm¬ 
lich an dem erwähnten Tage zu sehr erhitzt, ward steif, lahm 
und endlich auch blind. Sein Herr mochte nun nicht mehr 
auf ihm reiten und kaufte sich ein andres Pferd. Weil aber 
der Schimmel noch gar nicht alt war, so lebte er noch viele 
Jahre nach jenem Ritte. Da gab ihm der Herr zuletzt nur 
eine Metze Hafer des Tages, und da ihm auch dieses zu 
viel schien, und kein Mensch einen Pfennig für den Schimmel 
geben mochte, befahl er seinem Knechte, den Schimmel weg¬ 
zujagen. Der nahm einen Stock, weil das Pferd nicht wei¬ 
chen wollte, und trieb es aus dem Stalle. Da blieb es 7 
Stunden am Thore stehen, mit niedergebeugtem Kopfe und^ 
spitzte seine Ohren, wenn etwas im Hause sich regte. Die 
Nacht schlief es daselbst auf den harten Steinen, während 
es kalt war und schneiete. Endlich trieb der Hunger das 
Thier wegzugehen, aber weil es blind war, stieß es überall 
an. Mit seiner Nase roch es links und rechts, ob nicht 
wo ein Hälmchen Stroh da lüge, doch es fand nur wenig.
	        
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