Full text: Der deutsche Kinderfreund

VII. Gesundheitslehre. 169 
reí aus dem Urin prophezeien. Andere horchen hinter 
der Thür, oder hinter einer spanischen Wand, was die 
Leute,' welche Arznei holen wollen unter einander reden. 
So habe ich von einem verdorbenen Schuster gehört, der 
als ein Wunderdoktor weit und breit berühmt wurde; des¬ 
sen Schwager war Schenkwirth im Dorfe.. Wenn nun 
ein Kranker kam oder schickte, dessen Umstände der Schu¬ 
ster noch nicht wusste, so war er allezeit nicht zu Hause, 
oder hatte nothwendig zu thun, und seine Frau bestellte 
die Leute in einer oder zwei Stunden wieder. Gewöhn¬ 
lich sagte sie ihnen dann, sie möchten nur unter der Zeit in 
die Schenke gehen, und das thaten sie auch wohl von selbst. 
Der Schenkwirth war nun von seinem Schwager, dem 
Wunderdoktor, dazu angewiesen, wie er die Leute aus¬ 
fragen sollte. Waö sie ihm sagten, schrieb er geschwind 
auf ein Papier, und schickte dies seinen! Schwager. Ka¬ 
men nun die Kranken, oder ihre Boten wieder hin zum 
Schuster, so trat er mit einer großen Perükke hervor, 
nahm das Uringlas in die Hand, legte mit einer wichtigen 
Miene den Finger an die Nase, und erzählte ihnen nun 
w viel von ihren Umständen, daß sie vor Verwunderung 
nicht wussten/was sie sagen sollten. Sie bezahlten nun 
dem Lügenpropheten gern, was er verlangte, und dieser 
theilte dann das Geld mit seinem Schwager. Die Pillen, 
die er den Leuten gab, machte er aus bloßer Semmelkru- 
me, und vergoldete oder versilberte sie, und seine Fieber¬ 
pulver bestanden aus Zukker, Salz und Kreide. Und cs 
war noch gut, daß er seinen Kranken keine schädliche Sa¬ 
chen gab. Schlimmer machte es ein anderer Quacksalber, 
ber_ das kalte Fieber durch Tropfen kurirte, zu welchen er 
Arsenik oder Rattengift nahm. Davon verging zwar das 
Fieber schnell, aber hinterher bekamen die Leute von seinen 
Gifttropfen schlimmere Zufälle, als das Fieber, und blie¬ 
ben zeitlebens ungesund. 
Es ist Aberglaube, daß Krankheiten durch Beheren 
und Besprechen entstehen können. Alle Krankheiten 
haben ihre natürlichen Ursachen. 
In 8. waren noch viele einfältige I.ente, welche an Hexen 
unll Hexereien glaubten, so oft sie aucb vom Prediger und 
von dem 8ebuIIebrer eines kesseren delebrt worden waren. 
Michels Kind war verfüttert, und wurde schreiend. Anstatt 
«ich an einen vernünftigen Arzt zu wenden, und das Kind raässig
	        
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