Object: Deutsche Geschichte bis 1648 (Teil 1)

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kommt der Wirt, und Martinus sprach: „Ich bin diese Nacht zu einem Edel- 
mann geworden, denn diese Schweizer halten mich für Ulrich von Hutten." 
Sprach der Wirt: „Ihr seid es nit, aber Martinus Luther seid Ihr." Da lächelte 
er mit solchem Scherz: „Die einen halten mich für den Hutten, Ihr für den 
Luther, bald werde ich wohl gar Till Eulenspiegel werden." Nach solchem Ge- 
sprach bot er uns die Hand und sprach: „So ihr nach Wittenberg kommt, grüßt 
mir den Dr. Hieronymus Schurs." Sprachen wir: „Wir wollen das gern tun, 
doch wie sollen wir Euch nennen?" Sprach er: „Saget nichts weiter als: der 
kommen wird, läßt Euch grüßen, — so verstehet er die Worte sogleich." Also schied 
er von uns und ging zu seiner Ruhe. 
Danach kamen die Kaufmänner wieder in die Stube und hießen den Wirt, 
ihnen noch einen Trunk auftragen, während welchem sie viel Unterredungen hielten 
des Gastes halber, wer er wohl wäre. Doch der Wirt ließ sich merken, er hielte 
ihn für den Luther, und sie, die Kaufleute, ließen sich bald bereden und be- 
dauerten und kümmerten sich, daß sie so ungeschickt von ihm geredet hatten, und 
sprachen, sie wollten am Morgen um so früher aufstehen, ehe er wegritte, und 
wollten ihn bitten, er möge nicht auf sie zürnen noch im Arg daran denken, da 
sie seine Person nicht erkannt hätten. Dies ist geschehen, und sie haben ihn am 
Morgen im Stalle gefunden. Aber Martinus hat geantwortet: „Ihr habt beim 
Nachtmahl gesagt, ihr wolltet zehn Gulden wegen des Luthers ausgeben, um 
ihm zu beichten; wenn ihr ihm beichtet, werdet ihr wohl sehen und erfahren, ob 
ich der Martinus Luther sei." Weiter hat er sich nicht zu erkennen gegeben, ist 
darauf bald aufgesessen und auf Wittenberg zu geritten. 
An demselben Tage sind wir auf Naumburg gezogen und bald gen Witten¬ 
berg gekommen. Am Samstag sind wir bei dem Dr. Hieronymus Schürf ein¬ 
gekehrt, um unsere Briefe zu überantworten. Wie man uns in die Stube be- 
ruft, siehe, so finden wir den Reiter Martinus, ebenso wie zu Jena. Und nun 
bei ihm ist Philippus Melanchthon, Justus Jonas, Nikolaus Amsdorf, Dr. Augustin 
Schürf; sie erzählen ihm, was sich während seiner Abwesenheit zu Wittenberg 
ereignet hat. Er grüßt uns und lacht, zeigt mit dem Finger und spricht: „Dies 
ist Philipp Melanchthon, von dem ich euch gesagt habe." 
103. 
Luthers deutsche Gemütskraft. 
Quelle: Luthers Brief an seinen Sohn Hänschen 
vom 19. (?) Juni 15301). 
Fundort: Preuß a. a. O. S. 42—43. 
Beste Koburg, 19. (?) Juni 1530. 
Gnad und Friede in Christo, mein liebes Söhnichen. Ich sehe gern, daß Du 
wohl lernest und sleißig betest. Tu also, mein Söhnichen, und fahre fort; wenn 
ich heimkomme, so will ich Dir einen schönen Jahrmarkt mitbringen. 
Ich weiß einen hübschen, lustigen Garten, da gehen viel Kinder innen, haben 
güldene Röcklein an und lesen schöne Äpfel unter den Bäumen und Binten, 
*) Friedrich Lienhard urteilt über diesen Lutherbrief: „Ist es nicht vorweg- 
genommener Goetheton?"
	        
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