270
Der Sieger Dampf.
sei, das geeignet wäre, den Verkehr der Menschen unter sich
ganz von der Kraft der Zugtiere zu befreien, möglichst hinüber-
zuheben über das verlangsamende Bleigewicht der anhaftenden
toten Masse. Es war das nieht neu; schon lange hatte man in
England sowohl, als in einzelnen Bergwerken Deutschlands die
Kraft des Dampfes eingespannt. Aber es war noch die RKraft
eines Kindes.
Ob die Haftungskraft der glatton Schienen je sich so steigern
lasse, daß schwere Lasten bewegt, daß Steigungen überwunden
werden könnten, darüber sann man nach. Die erste Pisenbahn
in England, Stockton-Darlington, erscheint von 1822 bis 1825
lediglich als Pferdebahn. PErst jetzt wurde die Lieferung einer
Lokomotive zur Bewerbung ausgeschrieben mit der Bedingung,
daß der bewegende Wagen das Dreifache seiner eigenen Last
fortzuziehen und in der Stunde 16 km zurückzulegen vermöge.
Georg Stephenson trug unter den Bewerbern den Sdieg davon:
seine Lokomotive war imstande, ihr fünffaches Ligengewicht zu
ziehen, und zwar mit einer Sehnelligkeit von 32 km in der Stunde.
So wurde mit dem Jahr 1826 die Linie Manchester-Liverpool
die erste Lokomotiveisenbahn der Wolt.
2. In Deutschland war man nicht müßig gewesen. Zwei
höhere Beamte des Bergwesens, der Kurhesse Henschel und der
bayrische Oberbergrat Baader, beschäftigten sich schon seit dem
Anfang des Jahrhunderts mit der Beschleunigung des Verkehrs.
Henschel vertrat den Dampf als treibende Kraft, Baader befür-
wortete die Eisenbahn mit Pferdebetrieb. Verschiedene Linien
wurden als Versuche vorgeschlagen. Aber scheu hielt sich das
Kapital zurũck, und der Staat verspürte noch keinen Beruf, sei-
nem Institute, der Post, Konkurrenz zu machen. NMan fühlte es,
die neue Zeit kam heran; immer eifriger, immer erfindungsreicher
arbeitete man in den Werkstätten und auf den Postbureaus, um
für den Wettkampf gerüstet zu sein. Und vorderhand schien die
Post dieger zu bleiben für alle Zukunft. Mit der äußersten Ge—
ringschãtzung sprach man von der Leistung der Eisenbahnen,
und als die Linie Berlin-Potsdam im Jahre 1835 im Entwurfe
vorlag, wandte der Generalpostmeister v. Nagler ein: solehe Idee
sei dummes Zeug; die Leute sollten ihr gutes Geld doch lieber
gleich zum Fenster hinauswerfen, statt es zu so unsinnigem Un-
ternehmen hinzugeben. Das bayrische Medizinalkollegium be—
fürchtete wegen der Schnelligkeit der Bewegung bei den Insassen
sowohbl, als bei den Zuschauern eine Gehirnkrankheit. Gleich-
gũltigkeit, Mißtrauen, Vorurteile vereinigten sich, um der Uber-