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I. Erzählungen
Die Vorstellungen des Herrn Frühling waren recht
gut gemeint; allein Adam ließ sie zu einem Ohre hinein,
zum andern hinaus.
Eines Tages ging Adams Vater mit der Mutter
spazieren, und kaum waren sie fort, so ging Adam in
den Garten, und fing an mit Steinen nach den Sper¬
lingen zu werfen, die er gewahr wurde. Er dachte
wohl an Herrn Frühlings Ermahnung; allein erdachte
zugleich: Was hat mir der zu befehlen? Jetzt nahm er
einen Kieselstein, der so groß war, wie ein kleines Hüh¬
nerei, und warf damit nach einem Sperling, der in ei¬
nem Baume saß. Der Stein sauste durch den Baum
über die Mauer. Da hörte Adam auf einmal einen
Schrei. Er erschrak, machte die Thüre zum Hofe aus,
und schlich sich ganz still in den Hof und dann in die
Stube.
Er war keine drei Minuten in seiner Stube, da
kam sein Vater außer Athem herbeigelaufen, nahm
zitternd eine Flasche, worin Essig war, einen weißen
Lappen und ein Stück Bindfaden, und lief davon, so
schnell, als er gekommen war. Adams Herz schlug ge¬
waltig. Er zitterte am ganzen Leibe; denn er hatte ein
böses Gewissen. In einigen Minuten öffnete sich die
Stubenthür. Adam blickte hin, und fiel vor Schrecken
beinahe zu Boden. Ach! man brachte seine gute Mut¬
ter getragen. Ihr Kopf war verbunden, ihr-Gesicht
und ihre Kleider waren voll Blut, sie sah blaß wie der
Tod aus, und bewegte sich nicht; denn sie war in Ohn¬
macht gefallen.
Adam stürzte zu den Füßen seines Vaters, umfaßte
seine Kniee, weinte bitterlich, und sagte: „Vergebung!
Vater, Vergebung!"
„Wie?" sagte der Vater mit zorniger Stimme,
„wie? haft du, gottloses Kind, geworfen?"
Adam weinte, und bat in einem fort um Verge¬
bung. ,7Du warst es also," rief der Vater noch zor¬
niger, „der geworfen hat?" — Darauf nahm er ihn
bei dem Arme, und zog ihn zur Thüre. „Fort mit dir,
du Mörder deiner Mutter, fort! fort! daß dich mein