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für Verstand und Herz.
39. Der Ungeduldige.
Klaus war krank, und die Krankheit endigte sich
mit einem Ausschlage in der Haut. Ein verständiger
Prediger, der ihn besuchte, rieth ihm, sich etliche Tage
ruhig zu halten, vor Erkältung zu hüten, und das Em¬
pfindliche des Ausschlages, wodurch die Krankheit ge¬
hoben würde, geduldig zu ertragen, ohne es durch Kra¬
tzen und Reiben zu vermehren. Aber Klaus folgte die¬
sem guten Rathe nicht; er erkältete sich und kratzte sich
allenthalben wund. Dadurch wurden die Schmerzen
vermehrt, und er wurde immer ungeduldiger. Endlich
schlug durch die oftmalige Erkältung der Ausschlag zu¬
rück, und Klaus mußte unter großen Schmerzen sterben.
— Spr. Sal. 16, 32. Sprüchw. 14, 29. Sir. 2, 4.
40. Die Verläumderinn.
Henriette wollte sich gern bei ihren Eltern und Leh¬
rern beliebt machen, und weil sie glaubte, daß es zu
schwer sei, und zu lange dauere / ehe sie ihren Zweck er¬
reiche, wenn sie durch Fleiß und Redlichkeit sich diese
Liebe erwerben wollte: so legte sie sich aufs Verläumden;
denn sie hatte bemerkt, daß man sich bei Vielen auch
dadurch in Gunst setzen könne, wenn man von Andern
fälschlich Böses sagt.
Sie fing also damit an, daß sie von ihren Geschwi¬
stern alle Kleinigkeiten, unschuldigen Spaß und Spiel
als böse Handlungen beiden Eltern heimlich angab, und
durch ihre Zusätze recht gehässig vorstellte. Dabei bat sie
immer, daß man sie nicht als- Angeberinn verrathen
möchte, weil sie sonst ihrem Hasse ausgesetzt sein wurde.
Die Eltern, die gegen ihre Kinder aus guter Absicht
streng waren, lobten Henrietten, daß sie an den Bos¬
heiten ihrer Geschwister keinen Theil nehmen wollte, und
schränkten die Verläumderen in ihrem unschuldigen Ver¬
gnügen immer mehr ein; Henriette aber wurde überall
vorgezogen und zu allen Lustbarkeiten zugelassen. Weil
es ihr auf dieseWeise bei ihren Eltern gelungen war, so
versuchte sie es nun auch in der Schule. Hier gab sie
genau Achtung, welche Schülerinnen von dem Lehrer
nicht sehr geliebt wurden; und pon diesen wußte sie,