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Die Kreuzzüge. 
gentlich eine Folge der Tyrannei der Saracenen gegen 
die christlichen Pilger im heiligen Lande. Seit gerau¬ 
mer Zeit hatten die Christen, die so gern und hau. 
sig am Grabe ihres Glaubensstifters ihre Andacht ver» 
richteten, keine Ruhe mehr zu genießen, Mönche und 
Pilgrime, die dahin wallfahrteten, machten von dem 
traurigen Zustande, in welchem sich die dortigen Chri¬ 
sten befänden, und wie hart ihnen die Saracenen be¬ 
gegneten, zum Theil wahre, zum Theil sehr übertrie¬ 
bene Beschreibungen und Erzählungen. Ein Einsied¬ 
ler, Namens Peter, der von einer Wallfahrt nach 
Jerusalem zurückkam, schilderte die traurige Lage 
der dortigen Christen mit so lebhaften Farben, dass 
Papst Urban II. ihn für geschickt hielt, Völker und 
Könige in Bewegung zu sehen und zwei Welttheile 
gegen einander aufzuhetzen. Mit Thränen in den Au¬ 
gen, einem Kruzifix in der Hand, durchstrich er bar¬ 
fuß im härenen Einsiedlerkittel, und mit hänfenen 
Stricken umgürtet, eine Provinz nach der andern; 
sogar der Esel, welchen er ritt, theilte mit ihm die 
Ehre, die er sich durch seine Predigten, durch Fasten, 
Kasteien, Allmosen und andere fromme Betrügereien 
erwarb. In Jahresfrist durchstrich er beinahe ganz 
Europa, redete alle Fürsten und Großen an, beschwor 
das Volk und zündete in allen Seelen das Feuer an, 
das ihn schon längst verzehrte. Es ist unmöglich zu 
beschreiben, was für eine allgemeine Bewegung dieser 
Peter in dem größten Theile von Europa machte. 
Wo man hinblickte, sahe man lauter begeisterte Men¬ 
schen, die, so wie er, nach dem Blute der Ungläubi¬ 
gen dürsteten. 
Papst Urban berief nun eine allgemeine Kirchen¬ 
versammlung, welche auch wirklich 1095 zu Piacenza 
zu Stande kam. Man hielt, der ungeheuren Menge 
wegen, die Sitzungen im freien Felde. Die Gesandt¬ 
schaften des griechischen Kaisers verlasen öffentlich die 
Schreiben ihres bekümmerten Monarchen und schil¬ 
derten mündlich das Elend und die Drangsale der 
Christen im Morgenlande. Der Papst ermahnte selbst: 
„Lasset uns uns aufmachen, die duldenden
	        
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