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§• 63.
Der spanische Lrb folgekrieg. — Peter der Große.
(Kdrfr. I. Seit. 269.)
Iw Anfange des 18. Jahrh, beunruhigte die westlichen Staaten
Europa's der spanische Erbfolgekrieg, während in Osten und
Norden der große nordische Krieg zu Thaten rief. Karl II., König
von Spanien, war (1700) als der letzte seines Stammes gestorben; beide
Schwäger des Verstorbenen, der Kaiser Leopold und Ludwig XIV.,
bewarben sich um das reiche Erbe, das endlich Frankreich zufallen sollte.
Eine solche Erwerbung schien Europa's Freiheit zu bedrohen. Es bil¬
deten sich daher zwei gegen einander gerichtete Streitmassen; auf der
einen Seite stand England, Holland, Portugal, Oesterreich und ein
Theil des deutschen Reiches, auf der andern Frankreich mit den deut¬
schen Kurfürsten von Baiern und Köln. Der Kriegsschauplatz war
Spanien, Italien, Frankreich, Deutschland und die Niederlande und
wird näher bezeichnet durch die großen Schlachten, in welchen bei Hoch-
ftädt 03. Aug. 1704), Ramillicrs (bei Löwen, 23. Mai 1706), Turin.
(7. Sept. 1706), Oudenarde (II. Juli 1708), Malplaquet (11. Sept.
1709) gekämpst wurde. Nach 13 jährigem, wechselvollen Kampfe wurde
in dem Frieden zu Utrecht (1713) dem Enkel Ludwigs XIV., Philipp V-,
Spanien nebst den amerikanischen und anderen Kolonien zu Theil;
Oesterreich erhielt in dem Frieden zu Rastadt und Baden (1714)
die spanischen Niederlande, Neapel, Mailand und Sardinien, welches
letztere es bald mit Sicilien vertauschte.
Rußland galt gegen das Ende des 15. Jahrh, noch für die
Wildniß von Europa. Zwar kam um das Jahr 1000 von Konstanti-
nopcl aus die christliche Religion in das Land, weshalb sich noch jetzt
die Russen zur griechischen Kirche bekennen; allein das Volk blieb meist
rauh und wild, wie das Klima und der Boden. Die halbwilden Jäger
und Hirten glichen an Sprache, Kleidung, Sitten und Gebräuchen mehr
den Asiaten als den Europäern, bis der Czar Peter der Große
anfing, europäische Bildung bei seinem Volke einzuführen.
Peter war erst zehn Jahre alt, als er den russischen Thron bestieg;
daher führte vorläufig seine Mutter die Regierung. Deshalb erregte
Peters ältere Schwester Sophie einen Ausruhr der Strelitzen, welche
die Leibwache der Czaren bildeten, und diese bewirkten, daß Sophie
Mitregentin wurde. Zwei Jahre später erregte sie abermals eine Em¬
pörung gegen ihren Bruder. Die Mutter floh mit ihm nach einem
Kloster in der Nähe von Moskau. Dorthin folgten auch die Mörder,
erstürmten das Kloster und waren eben im Begriff, den jungen Peter
am Altare zu erstechen, als seine Reiter ankommen und die Mörder ver¬
jagen. Peter blieb auf einem Dorfe unweit Moskau. Schon als Knabe
zeichnete er sich durch eine blühende Gesundheit, Anlagen und Fleiß aus.
Besondern Gefallen hatte er an den Jahrbüchern der russischen Ge¬
schichte und an den Gemälden, mit welchen sie geschmückt waren. Ein
Deutscher unterrichtete ihn in den mathematischen Wissenschaften und in
der Kriegskunst, und der Schweizer Lefort erzählte ihm viel von seinen
Reisen, von fremden Ländern und Völkern. So war Peter zu einem
kräftigen, feurigen Jüngling herangereift. ?£uf seinem Dorfe hatte er