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Nordfuße der Alpen auszeichnet, ist, „daß er weniger ein Berg- und Alpensee
ist, daß er etwas entschieden Meerartiges hat, und daß er die freie, offene
Aussicht des Landsees vereinigt mit einer prachtvollen Bergszenerie, die am
obersten Teile des Sees in großartiger Nähe herankommt, aber doch noch
fern genug bleibt, um den Blick ans die mannigfaltigsten, in Terrassen sich
abstufenden Berggruppen nicht zu beschränken". Dazu kommt, daß kein
zweiter See des deutschen Alpenvorlandes eine ähnliche reiche Umgebung
zeigt; der Einfluß der anderen großen Wasserflächen, die ja auch wärmende
und abkühlende Wirkungen auf ihre Umgebung ausüben, vermag doch die
Nachteile der bedeutenden Höhenlage nicht völlig auszugleichen. Die Gestade
des Bodensees haben mittlere Jahrestemperaturen von nahezu 9°, siud also
im Mittel um 1" wärmer als die entsprechend hoch (400 m) gelegenen
Teile der Donauhochebene, und in fühlbarer Weise macht sich diese höhere
Temperatur in der Pflanzenwelt der Seeumgebung geltend. Der Weinstock
wird hier erfolgreich noch in größerer Meereshöhe als irgendwo sonst im
Deutschen Reiche, nämlich bis zur Höheustufe von 450 m gebaut; in größerer
Erhebung folgen Obstgärten und reiche Fluren Die deutschen Ufer siud
besonders reich au Kirsch- und Pflaumenbäumen, die schweizerischen an Apfel-
nnd Birnbäumen, uud im Frühjahre bieten namentlich die thurgauischen
Landschaften einen reizenden Anblick dar. Der Wald von Obstbäumen, in
den das Land wie eingehüllt ist, glänzt in einem weißrötlichen Schmucke
von Birn- nnd Apfelblüten, den kein Maler durch seine Kunst wiederzu-
geben vermag, und den man unmittelbar im warmen Frühlingssonnenschein
genießen muß.
(2. Siedelungen.) Von besonderem Werte ist auch, daß der Bodensee,
der schon durch seine Benutzung als Wasserweg dem Verkehre eine nicht zu
unterschätzende Erleichterung gewährt, als ein Teil des großen Rheintales zu
der natürlichen Heerstraße gehört, die, auf der Nordseite der Alpen das Tal
des Rheines, auf der Südseite das des Liro, der Maira und des Comersees
benutzend, Deutschland mit Italien verbindet.
Schon frühe hat darum diese große Binnenwasserfläche die Menschen
angelockt. In vorgeschichtlichen Zeiten waren es die Bewohner der Pfahl-
bauten, die die Seegestade besiedelten, und namentlich in der Gegend von
Konstanz haben sich außerordentlich zahlreiche Reste von deren Kultur ge-
sunden. Später hatten die Römer feste Stützpunkte am See, im Osten bei
Bregenz, im Westen bei Konstanz, uud, als ihre Macht sauk, eroberten die
Alemannen die Bodenseegegend. Im Mittelalter wurden die Vorzüge des
Sees und seiner Umgebung immer mehr erkannt, und er ward von neuem
der Ausgang der zivilisatorischen Bestrebungen. Uralt ist die christliche
Niederlassung auf der Insel Reichenau im Untersee, und wenn auch das
Kloster schon längst eingegangen ist, so mahnt noch die ganze Erscheinung
der Insel mit ihren alten Kirchen, mit mancherlei Eigentümlichkeiten der
Verfassung seiner Gemeinden an die Zeiten des alten Glanzes. Später im
Mittelalter entstanden am Bodenseeufer zahlreiche Städte, dereu Bewohner
eine lebhafte Schiffahrt auf dem See trieben, uud die fast samt und sonders
Reichsfreiheit genossen. Um diese Zeit erreichte Konstanz seine höchste Blüte
und war damals unbestritten der Hauptort der Bodenseelande. Am meisten
Verschiebungen in Größe und Bedeutuug der Uferorte des Bodensees brachte
die neuere und neueste Zeit durch andere Verteilung des Gebiets, durch