Full text: Lesebuch für Volksschulen

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Das Ihrige, man sieht sie nimmer ruh'n, 
Damit in fernen unbekannten Landen 
Die Bande halten, die unS hier umwanden,^ 
Und jetzt, wie sonst, wenn fern von dem Gefild 
Der Heimath — wie das fremde Land auch heiße — 5. 
Ein Wandrer anschaut seines Königs Bild, 
Ruft er wie Nettelbeck: „Ja ich bin auch ein Preuße!" 
K. v. Holtey. 
270. Friedrich 1!. und sein Nachbar. 
Der König Friedrich der Zweite von Preußen hatte 
8 Stunden von Berlin ein schönes Lustschloß und war 
gern darin, wenn nur nicht ganz nahe dabei die unru- 10. 
hige Mühle gewesen wäre. Denn erstlich stehen ein kö¬ 
nigliches Schloß und eine Mühle nicht gut neben einan¬ 
der, obgleich das Weißbrod auch in dem Schlosse nicht 
übel schmeckt, wenn die Mühle fein gemahlen und der 
Ofen wohl gebacken hat. Außerdem aber, wenn der 15. 
König in seinen besten Gedanken war, und nicht an den 
Nachbar dachte, auf einmal ließ der Müller seine Mühle 
klappern und dachte auch nicht an den Herrn Nachbar; 
und die Gedanken des Königs störten zwar das Räder¬ 
werk der Mühle nicht, aber manchmal das Klapperwerk 20. 
der Räder die Gedanken des Königs. Der geneigte Le¬ 
ser sagt: Ein König hat Geld, wie Laub, warum kauft 
er dem Nachbar die Mühle nicht ab und läßt ste nieder¬ 
reißen?— Der König wußte warum: denn eines Tages 
ließ er den Müller zu sich rufen. „Ihr begreift," sagte 25. 
er zu ihm, daß wir Zwei nicht neben einander bestehen 
können. Einer muß weichen. Was gebt Ihr mir für 
mein Schlößlein?" —Der Müller sagte: Wie hoch hal¬ 
tet Ihr es, königlicher Herr Nachbar? — Der König 
erwiderte ihm: „Wunderlicher Mensch: so viel Geld habt 30. 
Ihr nicht, daß ihr mir mein Schlößlein abkaufen könnt. 
Wie hoch haltet Ihr Euere Mühle?" — Der Müller er¬ 
widerte: Gnädigster Herr, so habt auch Ihr nicht so 
viel Geld, daß Ihr mir meine Mühle abkaufen könnt; 
sie ist mir nicht feil. — Der König that zwar ein Ge- 35. 
bot, auch das zweite und dritte, aber der Nachbar blieb 
bei seiner Rede: Sie ist mir nicht feil. Wie ich darin ge¬ 
boren bin, sagte er, so will ich auch darin sterben, und 
wie ste mir von meinem Vater erhalten worden ist, sol¬ 
len sie meine Nachkommen von mir erhalten und auf ihr 40. 
den Segen ihrer Vorfahren erben.
	        
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