Full text: Lesebuch für Volksschulen

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und Sohn erkannten sich, fielen einander in die Arme, 
und Thränen der innigsten Freude flössen über die brau¬ 
nen Wangen des Kriegers. 
Der durch diesen Austritt äußerst gerührte^Haupt- 
mann ließ den Knaben einige Tage bei dem Vater aus- 5. 
ruhen, und gab ihnen etwas, daß sie sich gütlich thun 
und pflegen konnten. Sodann ermahnte der Hauptmann 
und der Vater den Knaben, nunmehr zu seiner, über 
seine Abwesenheit sehr bekümmerten Mutter zurückzukeh¬ 
ren; auch reichte ihm der Hauptmann als Zehrpfennig 10. 
zur Reise ein Goldstück. „Zur Reise," sagte der kleine 
Pilgrim, „brauche ich kein Geld; denn gegen Ausweis 
meines Briefes haben mir gute Leute unterwegs doch zu 
essen gegeben. Aber meiner Mutter will ich das Ge¬ 
schenk bringen." 15. 
So trat er denn seine Rückreise wieder an, verirrte 
sich aber und kam an die feindlichen Vorposten. Hier 
wurde er angehalten und ins feindliche Lager zum Ge¬ 
neral Esistine geführt, der ihn durch einen Dollmetscher 
scharf ausfragen ließ. Ohne Scheu erschien der deutsche 20. 
Knabe vor dem französischen Feldherrn, beantwortete alle 
Fragen desselben offenherzig nach der Wahrheit, zeigte 
abermals den Brief seines Vaters, und erzählte, was ihm 
im preußischen Lager begegnet war. Gerührt und lä¬ 
chelnd über das große und gute Herz des preußischen 25. 
Soldatenkindes, schenkte ihm der feindliche Heerführer 
zwei Goldstücke, und gab ihm einen Wegweiser mit, der 
ihn durchs französische Heer begleiten sollte, bis er in 
völliger Sicherheit sei. „Denn," sagte er zu ihm, „du 
hast in deiner Kindheit bisher schon auf einem zu guten 30. 
Wege gewandelt, als daß man nicht dafür sorgen sollte, 
daß du nicht wieder irre gehen mögest " 
Glücklich und wohlbehalten kam der Knabe endlich 
in seiner Heimath wieder an und verwandelte die Thrä¬ 
nen der Betrübniß, die seine Mutter bisher über ihren 35. 
Sohn geweint hatte, in Thränen der Freude. Er bat 
sie wegen seiner heimlichen Entweichung um Verzeihung; 
sagte ihr zur Ursache und Entschuldigung derselben das, 
was die Leser schon wissen, und überlieferte die Geschenke, 
die er vom Hauptmann seines Vaters und vom Heer- 40. 
führer der Feinde empfangen hatte, getreulich in ihre 
Hände.
	        
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