Full text: Lesebuch für Volksschulen

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sehen bücken. 59 Das dauert eine ganze Zeit, 60 Dann sprach der 
Herr mit Heiterkeit: 61 „Thät’st du zur rechten Zeit dich regen, 
62 Hätt’st das bequemer haben mögen. 63 Wer geringe Dinge we¬ 
nig acht't, 64 Sich um geringere Mühe macht.“ Göthe. 
127. Der Apfelbaum. 
Gewiß, der Apfelbaum ist uns wohl der uützlichste 5. 
von allen Obstbäumen, und seine Gestalt ist ansprechend. 
Ueber dem starken Stamme breitet sich die Krone lustig 
aus, und auch seine Blätter haben eine angenehme Form. 
Im Frühlinge sehen wir ihn in seiner ersten Herrlichkeit 
vor uns aufgestellt. Ist er dann nicht einem großen No- 10. 
senstocke zu vergleichen, woran Knospe an Knospe sich 
schmiegt? Denkt euch den Baum dagegen, wie er noch 
zu Anfange des April erschien! Da stand er kahl, seine 
Aeste wie todte Balken, seine Zweige wie dürre Reiser. 
Brachen wir eine Knospe ab, so war sie unansehnlich, 15. 
wie ein zusammengerolltes Kügelchen von grünem und 
gelbem Stoffe, woraus -nimmer das zu werden schien, 
was wir jetzt vor uns sehen. Hat sich aber das Knöspchen 
entwickelt, so ist die braune Hülle auch abgefallen; zar¬ 
tere, grüne Blättchen sind nun die Hülle der Blüthen, 20. 
welche oft noch schüchtern hervorschauen und mildere Lüfte 
erwarten, um sich ganz zu erschließen. Diese in der Ent¬ 
hüllung begriffenen Knospen sind anmuthiger, die bereits 
entfalteten aber herrlicher. Jene, mit dem Grün der Hoff¬ 
nung ümhüllt, sagen uns: Bald wird's erscheinen, und 25. 
wir wünschen und hoffen; — diese sagen uns: Es ist 
erschienen, und wir rufen erfreut: O wie herrlich! 
Aber aus der Pracht soll der Segen hervorgehen: 
darum verschwindet sie nach kurzer Zeit. Seht, schon fal¬ 
len die Blüthenblättchen nieder, wenn geflügelte Sänger,30. 
nur durch ihre geschmückten Festhallcn durchschlüpfen! 
Bald werden sanfte Lüfte, die uns jetzt den Blüthenduft 
zuwehen, die Blüthenblättchen selbst mit fortführen üKd 
auf den grünen Rasen streuen. Eine Zeit lang bleibt uns. 
dann nur der Baum mit seinen frischen grünen Blät- 35. 
lern als Hoffnungszeichen; aber hernach kommt die Zeit 
der schönsten Erfüllung. Allmählig färben sich die aus 
dem Laube hervorblickenden Aepfel, sie werden größer und 
schöner; endlich neigen sich schwerbeladen die Aeste und 
Zweige. Die Blüthen waren unzählig, und wer übersieht 40. 
die Fülle der Früchte! Hätten aber alle Blüthen Früchte
	        
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