Full text: Lesebuch für obere Classen in katholischen Elementarschulen

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er vergaß aber, wie er dazu gekommen war, und dachte: Es ist 
Tag, es wird niemals Nacht werden; eine so kleine Ausgabe von 
einem so großen Vermögen kommt nicht in Betracht. Aber, wie 
der arme Richard sagt, wenn man immer aus dem Mehlfasse 
nimmt und nichts wieder hinein füllt, so kommt man bald auf den 
Boden. Wenn der Brunnen trocken ist, schätzt man erst das Was¬ 
ser. Wollt ihr wissen, was das Geld werth ist, so geht hin und 
borgt. Sorgen folgt auf Borgen, sagt Richard. Hast du ein 
schönes Stück gekauft, so mußt du noch zehn dazu kaufen, damit 
Alles zusammen paßt. Der arme Richard sagt: Es ist leichter, 
dem ersten Gelüste zu widerstehen, als allen folgenden, und der 
Arme, der den Reichen nachäfft, ist eben so lächerlich, als der 
Frosch, der sich aufblies, um so groß zu werden wie der Stier. 
Große Schiffe können sich ins weite Meer wagen, kleine Fahr¬ 
zeuge müssen sich am Ufer halten." 
4. „Welche Thorheit, der entbehrlichen Dinge wegen Schulden 
zu machen! Wer sich in Schulden steckt, gibt Anderen ein Recht 
über seine Freiheit. Könnt ihr zur gesetzten Frist nicht bezahlen, 
so werdet ihr Euch schämen, wenn euer Gläubiger euch begegnet. 
Ihr werdet ängstlich sein, wenn ihr mit ihm sprecht, und elende 
Entschuldigungen herstammeln. Nach und nach werdet ihr Treue 
und Glauben verlieren, das Schaamgefühl schwächen und euch gar 
durch grobe und niederträchtige Lügen entehren. Ein freier Mann 
sollte Jedem ohne Furcht ins Gesicht sehen können; verschuldete 
Armuth aber raubt das Selbstgefühl, die Selbstständigkeit und die 
Tugend. Es ist gewiß schwer, daß sich ein leerer Sack gerade auf¬ 
recht halte. — Wer immer darauf denkt, zu kaufen, was ihm ge¬ 
fällt, der vergißt leicht die Bezahlung; die Gläubiger aber haben 
ein besseres Gedächtniß, als die Schuldner, und Niemand widmet 
dem Kalender mehr Aufmerksamkeit, als jene. Die Zahlungszeit 
kommt dem Schuldner immer zu früh. Darum bewahrt eure Frei¬ 
heit und Unabhängigkeit; seid arbeitsam und frei. Vielleicht seid 
ihr eben jetzt in Umständen, eure Kauflust befriedigen zu können; 
allein legt lieber etwas für das Alter und für Nothfälle zurück. 
Der alte Richard sagt: Die Mittagssonne scheint nicht 
den ganzen Tag. Der Verdienst kann von kurzer Dauer und 
ungewiß sein; die Ausgaben sind aber gewiß und dauern solange, 
als ihr lebt. Es ist leichter, zwei Schornsteine zu bauen, 
als einen warm zu halten. Geht lieber ohne Abendbrod zu 
Bette, als das ihr mit Schulden aufsteht. Erwerbt, so viel ihr 
könnt, und haltet zu Rathe, was ihr erworben habt, — das ist 
der wahre Stein der Weisen.
	        
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