Full text: Lesebuch für obere Classen in katholischen Elementarschulen

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Da sieht Antonio den Vater sich nähern; er stürzt ihm ent¬ 
gegen und erzählt ihm, was geschehen war und was die Mutter 
thue. Vor Entsetzen erbleichte der junge Mann, und wankte, und 
hielt sich an dem nächsten Baume. „Was machst du Vater?" rieft 
der Knabe und sprang auf ihn zu, als wollte er ihm helfen; aber 
noch ehe er ihn umfaßte, bebte ec wieder zurück vor einer todten 
Schlange, die er erst jetzt an des Vaters Stabe erblickte, und stam¬ 
melte: „Ach, die Natter war es, — ja, eine solche Natter hat un¬ 
sere liebe Francisca gebissen!" 
„Nun Gottlob! Gottlob!" jauchzte der Vater: „das ist keine 
Natter, das ist eine unschädliche Schlange, die Niemanden todten 
kann!" Mit nassen Augen erreichte er seine Hütte, umfaßt die 
Tochter mit der Mutter und schloß sie lange an seine Brust, und 
rief mit trunkener Freude: „Liebe Frau, wie hast du mich er¬ 
schreckt! Aber Gott sei Dank! die Schlange war nicht giftig. Der 
Herr sei gepriesen! wir bleiben noch zusammen, und deine Mutter¬ 
liebe werde ich nie vergessen; und keines von deinen Kindern wird 
sie je vergessen; diese Hand, auf deren Wunden du deine mütter¬ 
lichen Lippen drücktest, wird einst gewiß dein graues Haar mit 
Rosen- und Myrtenkränzen zieren!" 
In schweigendem Entzücken traten nun die Gatten, von ihren 
Kindern begleitet, in die Stube, durch deren Fenster eben die 
sinkende Sonne den einladenden Tisch mit ihrem Rosenschimmer 
röthete, und der Säugling in der Wiege sah sich mit weit offenen. 
Augen ruhig um und lächelte den glücklichen Eltern entgegen. 
* 133. Gott, der Erhalter. 
Kein Thierlein ist auf Erden 
Dir, lieber Gott, zu klein; 
Du ließt fie alle werden, 
Und alle find fie Dein. 
Das Voglern in den Lüften 
Singt Dir aus voller Brust; 
Die Schlange in den Klüften 
Zischt Dir in Lebenslust. 
Die Fischlein, die da schwimmen, 
Sind, Herr! vor Dir nicht stumm; 
Du hörest ihre Stimme, 
Vor Dir kommt keines um. 
Vor Dir tanzt in der Sonne 
Der kleinen Mücken Schwarm; 
Zum Dank für Lebenswonne 
Ist keins zu klein und arm. 
Sonn', Mond gehn auf und unter 
In deinem Gnadenreich, 
Und alle Deine Wunder 
Sind fich an Größe gleich. 
Zu Dir muß jedes ringen, 
Wenn es in Nöthen schwebt; 
Nur Du kannst Hülfe bringen. 
Durch den das Ganze lebt. 
In starker Hand die Erde 
Trägst Du mit Mann und Maus, 
Es ruft Dein Odem: „Werde!" 
Und bläst das Lichtlein aus. 
Kein Sperling fällt vom Dache 
Ohn' Dich, vom Haupt kein Haar; 
O, theurer Vater, wache 
Bei uns in der Gefahr! 
Erhalt uns frei von Sünden, 
Schütz' uns vor jähem Tod, 
Daß wir den Himmel finden 
Bei Dir nach letzter Noth.
	        
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