Full text: Lesebuch für obere Classen in katholischen Elementarschulen

Wo keine Klag' ertönt, und keine Thräne fließt, 
Der Gute glücklich, stark der Schwache ist? 
Kennt ihr es wohl? dahin, dahin 
Laßt, Freunde, fest uns richten Herz und Sinn. 
Kennt ihr den Weg? die rauhe Dornenbahn? 
Der Wand'rer seufzt, daß er nicht weiter kann, 
Er wankt und finkt, im Staube blickt er auf: 
„Verkürze, Vater, doch des müden Pilgers Lauf." 
Kennt ihr ihn wohl? — der geht, der geht 
In jenes Land, wohin die Hoffnung steht. 
Kennt ihr den Freund? —er ist ein Menschenkind, 
Und mehr doch, mehr, als alle Menschen find; 
Er ging voran die rauhe Dörnenbahn, 
Nimmt freundlich sich der armen Pilger an: 
Kennt ihr ihn wohl? — die Hand, die Hand 
Geleitet ficher uns ins Vaterland. 
29. Der große Thaler. 
Fridolin, ein frommer Bauersmann, hatte einen Knecht, der 
sehr jähzornig war und dann in die rohesten Worte ausbrach. 
Fridolin ermahnte ihn öfters, er solle aus Liebe zu Gott den Zorn 
überwinden. Allein der Knecht sagte: „Das ist mir nicht möglich; 
Menschen und Thiere machen mir zu viel Verdruß." 
Eines Morgens sagte Fridolin zu ihm: „Matthias! sieh da 
einen schönen neuen Thaler. Diesen will ich Dir schenken, wenn 
du den Tag hindurch geduldig bleibst und kein zorniges Wort 
von dir hören lässest." Der Knecht ging den Handel mit Freuden 
ein. Die übrigen Dienstboten aber redeten es heimlich mit einander 
ab, ihn um den Thaler zu bringen. Alles, was sie den ganzen 
Tag sagten und thaten, zielte nur darauf, ihn zornig zu machen. 
Allein der Knecht hielt sich so tapfer, daß ihm nicht ein einziges 
zorniges Wort entwischte. Am Abend gab Fridolin ihm den 
Thaler und sagte: „Schäme dich, daß du einem elenden Stück 
Gelde zu Liebe deinen Zorn so gut überwinden kannst, allein aus 
Liebe zu Gott es nicht thun magst!" Der Knecht besserte sich und 
wurde ein sehr sanftmüthiger Mensch. 
Laß Gottes Liebe stets dein Herz durchdringen, 
So wirst du auch das Schwerste leicht vollbringen. 
* 3«. Vogel und Knabe. 
Lieber Knabe, willst mich fangen? schone, schone mein! Ach! 
ich seh's, dein heiß Verlangen sperrte gern mich ein; aber denke, 
lieber Knabe, daß ich eine Mutter habe, die mit Schmerz ihr Kind 
vermißt, das so gerne bei ihr ist. Denke, wenn ein Räuber käme, 
so in roher Lust dich -nähme von der Mutter Brust, achtend
	        
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