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So lange hatte Friedrich in dem Tone der Überzeugung geredet,
um die Begeisterung seiner Zuhörer anzufachen; jetzt aber, da er
sich von der unwiderstehlichen Gewalt seiner Worte überzeugt hielt,
sprach er wieder als König und kündigte die Strafen an, die er über
diejenigen verhängen würde, die ihre Schuldigkeit verabsäumten.
„Das Regiment Kavallerie, welches nicht sofort, wenn es befohlen
wird, sich unaufhaltsam in den Feind stürzt, lasse ich gleich nach der
Schlacht absitzen und mache es zu einem Garnisonregimente; das
Bataillon Infanterie, das, es treffe worauf es wolle, nur zu stutzen
anfängt, verliert die Fahnen und die Säbel, und ich lasse ihm die
Borten von der Montierung abschneiden. Nun leben Sie wohl, meine
Herren! In kurzem haben wir den Feind geschlagen, oder wir sehen
uns nie wieder."
18. Das preußische Herrscherpaar bei Napoleon in Tilsit (1807).
Der Kaiser Napoleon Bonaparte hatte gewünscht, daß die Königin
Luise in Tilsit erschiene, teils um seinen Stolz zu befriedigen, dann
aber auch aus Neugierde, um die schöne Frau, die gedemütigte Königin,
von Angesicht zu Angesicht zu sehen. Seine nächste Umgebung, be¬
sonders der schlaue Talleyrand, hatte seine Zusammenkunft mit der
Königin zu verhindern gesucht und legte allerlei Schwierigkeiten, um
sie zu verhüten, in den Weg. Sie kam aber doch zustande, weil der
Kaiser sie wollte, und die Königin war willig sich diese Demütigung
und Selbstverleugnung gefalle'n zu lassen. „Was mich das kostet",
schrieb die Königin auf dem verhängnisvollen Wege nach Tilsit in ihr
Tagebuch, „weiß mein Gott; denn wenn ich gleich den Mann nicht
hasse, so sehe ich ihn doch als den an, der den König und sein Land
unglücklich gemacht hat. Seine Talente bewundere ich; aber seinen
Charakter, der offenbar hinterlistig und falsch ist, kann ich nicht lieben.
Höflich und artig gegen ihn zu sein, wird mir schwer werden; doch
das Schwere wird einmal von mir gefordert, und Opfer zu bringen
bin ich gewohnt." Vollkommen mit sich einig, voll von der Würde,
welche ein ruhiges Selbstbewußtsein giebt, ging sie mit der Unbefangen¬
heit, die ihr unter allen, auch den traurigsten Verhältnissen und
schwersten Aufgaben - eigentümlich blieb, nach Tilsit, um deu Kaiser
Napoleon zu sehen und zu sprechen.
Um das Zwingende, den inneren Zwiespalt dieser unnatürlichen
Zusammenkunft zu verdecken, ließ der reiche Kaiser die Königin, sie
äußerlich zu ehren, in einem prachtvollen, achtspännigen Staatswagen