Full text: Geschichte des preußischen Vaterlandes

Lmsen's politisches Glaubensbekenntniß. 393 
mein Leben hoffe ich nichts mehr. Ich habe mich ergeben, und in dieser Fügung 
des Himmels bin ich jetzt ruhig und in solcher Ruhe, wenn auch nicht irdisch 
glücklich, doch, was mehr sagen will, geistig glückselig. Es wird mir immer 
klarer, daß Alles so kommen mußte, wie es gekommen ist. Die göttliche 
Vorsehung leitet unverkennbar neue Weltzustände ein, und 
es soll eine andere Ordnung der Dinge werden, dadiealte 
sich überlebt hat und in sich selbst als abgestorben zusam¬ 
menstürzt. Wir sind eingeschlafen auf den Lorbeeren Friedrich's des Gro- 
ßen, welcher, der Herr seines Jahrhunderts, eine neue Zeit schuf. Wir sind 
mit derselben nicht fortgeschritten, deshalb überflügelt sie uns — das siehet 
Niemand klarer ein, als der König. Noch eben hatte ich mit ihm darüber 
eine lange Unterredung, und er sagte in sich gekehrt wiederholentlich: D a s 
muß auch bei uns anders werden. Gewiß wird es besser wer¬ 
den: das verbürgt der Glaube an das vollkommenste Wesen. Aber es kann 
nur gut werden in der Welt durch die Guten. Deshalb glaube ich auch nicht, 
daß der Kaiser Napoleon Bonaparte fest und sicher auf seinem jetzt freilich 
glänzenden Throne ist. Fest und ruhig ist nur allein Wahrheit und Gerech¬ 
tigkeit, und er ist nur politisch, daß heißt klug, er richtet sich nicht nach ewigen 
Gesetzen, sondern nach Umständen, wie sie nun eben sind. Dabei befleckt er 
seine Regierung mit vielen Ungerechtigkeiten. Er meint es nicht redlich mit 
der guten Sache und mit den Menschen: er und sein ungemessener Ehrgeiz 
meint nur sich selbst und sein persönliches Interesse. Man muß ihn mehr 
bewundern, als man ihn lieben kann. Er ist von seinem Glücke geblendet 
und er meint Alles zu vermögen. Dabei ist er ohne alle Mäßigung, und 
wer nicht Maß halten kann, verliert das Gleichgewicht und 
fällt. Ich glaube fest an Gott, also auch an eine sittliche Weltordnung. 
Diese sehe ich in der Herrschaft der Gewalt nicht, deshalb bin ich der 
Hoffnung, daß auf die jetzige böse Zeit eine bessere folgen wird. Ganz 
unverkennbar ist Alles, was geschehen ist und geschieht, nicht das Letzte und 
Gute, wie es werden und bleiben soll, sondern nur die Bahnung des Weges 
zu einem besseren Ziele hin. Dieses Ziel scheint aber in weiter Entfernung 
zu liegen, wir werden es wahrscheinlich nicht erreicht sehen und darüber hin¬ 
sterben. Wie Gott will, Alles, wie er will. Aber ich finde Trost, Kraft, 
Muth und Heiterkeit in dieser Hoffnung, die tief in meiner Seele liegt. Ist 
doch Alles in der Welt nur Uebergang! Wir müssen durch. Sorgen wir 
nur dafür, daß wir mit jedem Tage reifer und besser werden." 
„Hier, lieber Vater, haben Sie mein politisches Glaubensbekenntniß, so 
gut ich, als eine Frau, es formen und zusammensetzen kann. Sie sehen wenig¬ 
stens daraus, daß Sie auch im Unglücke eine fromme, ergebene Tochter haben, 
und daß die Grundsätze christlicher Gottesfurcht, die ich Ihren Belehrungen 
und Ihrem frommen Beispiele verdanke, ihre Früchte getragen haben und 
tragen werden, so lange Odem in mir ist." 
„Gern werden Sie, lieber Vater, hören, daß das Unglück, welches uns 
betroffen, in unser eheliches und häusliches Leben nicht eingedrungen ist, 
vielmehr dasselbe befestigt und uns noch werther gemacht hat. Der König, 
der beste Mensch, ist gütiger und liebevoller als je. Oft glaube ich in ihm 
den Liebhaber, den Bräutigam zu sehen. Mehr in Handlungen, wie er ist,
	        
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