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hender Sehnsucht nach dem ewigen Leben und mit brennendem Eifer
für die Ehre Gottes verbunden war. Künste und Wissenschaften fan¬
den bei den Päpsten und Kaisern vorzüglichen Schutz. Gern hörte
nran Dichter zur Harfe singen; man nannte sie Minnesänger und
später, da sie handwerksmäßig die Dichtkunst betrieben, Meistersän¬
ger. In den Klosterschulen wurden die Wissenschaften fleißig betrie¬
ben, welche durch Stiftung der Universitäten zu Prag, Wien, Hei¬
delberg, Köln, Erfurt, Leipzig, Freiburg, Basel, Mainz u. s. w. be¬
deutend in Aufnahme kamen. Nicht weniger wurden sie gefördert durch
Wiederherstellung des Studiums der alten römischen und griechischen
Schriftsteller, besonders seit Eroberung Konstantinopels durch die
Türken, und durch die Erfindung der Buchdruckerkunst. Ausgezeichnet
steht das Mittelalter durch seine herrlichen Bauwerke da. Die
deutsche oder gothische Baukunst schuf die prachtvollen Dome zu Mainz,
Worms, Speyer u. s. w. Besonders berühmt wurden das Münster
zu Straßburg, von Erwin von Steinbach erbaut, und der Dom zu
Köln. Auch die Stephanskirche zu Wien, die Kirche Notre-Dame zu
Paris, das Westmünster zu London, der Dom zu Toledo entstanden
um jene Zeit. Sie alle find in Kreuzform erbaut und mit Spitz¬
bogen, schlanken Säulen, künstlich durchbrochenen hohen Thürmen,
Kreuzen und Statuen geziert.
Zahlreich sind die Erfindungen im Mittelalter, welche dem Scharf¬
sinne und Nachdenken unserer Altvorderen ein ehrenvolles Zeugniß
geben. Der Engländer Bacon (1214) erfand die Fern-, Brenn-
und Vergrößerungsgläser, und ein Deutscher (um das Jahr
1300) die Kunst, aus Leinwand Papier zu verfertigen; jedoch entstan¬
den erst im achtzehnten Jahrhundert Papiermühlen. Zu Anfange des
vierzehnten Jahrhunderts erfand der Italiener Gioja den Compaß,
den sicheren Wegweiser durch die unermeßliche Wasserwüste. Die ein¬
zigen Wegweiser der Alten waren bis dahin die Sonne und-die Sterne
gewesen; aber durch die Nacht wird die Sonne, und durch den Wech¬
sel der Witterung werden die Sterne dem Auge entzogen. Daher
konnten die Alten fast nur Küstenschifffahrt betreiben. Allein seit Er¬
findung des Compasses, des untrüglichsten Wegweisers, durfte der
Schiffer sich auf alle, auch noch so unbekannte, Meere hinauswagen.
— Wie der Compaß in die Getriebe des Handels, so griff die Erfin.
düng des Schießpulvers in das Kriegswesen ein und bewirkte eine
große Veränderung in demselben. Gewöhnlich bezeichnet man Ber-
thold Schwarz, einen Franciscaner-Mönch zu Freiburg, der um
das Jahr 1F5Y lebte, als den Erfinder desselben. Bald entstanden
nun Schießgewehre und Kanonen. Anfangs wurden diese neuen Kriegs¬
lasten wenig im Felde gebraucht; denn sie galten für heimtückische
Waffen, die sich für einen ehrlichen Kriegsmann nicht schickten. Und
als gemeine Fußknechte mit Musketen und Kanonen sich den Rittern
entgegenstellten, legten diese Lanze und Schwert nieder und überließen