Full text: Lesebuch für obere Classen in katholischen Elementarschulen

38 
Von seinen Gespielen, der lief daher, 
Als ob eS nicht Zeit zur Schule wär', 
Rief ihm: „Willst mit mir spielen?" 
„Warum nicht? Gern! Doch thutmir's leid, 
„Ich habe zum Spielen jetzt keine Zeit! 
„Hund, Biene, Pferd und Bögelein, 
„Sie lehren bei Zeiten mich fleißig sein." 
* 70. Lernbegierde. 
Kleanth, ein junger Athener, hatte von Jugend auf einen 
langsamen Kopf gehabt, und dabei war er blutarm. Dennoch 
hatte er eine unersättliche Begierde nach Kenntnissen; die Er¬ 
werbung derselben mochte ihm auch noch so sauer werden. Da¬ 
mals lebte zu Athen ein weiser Mann, Namens Zeno, dessen 
Beruf war, junge Leute zur Weisheit und zur Tugend anzuführen. 
Gar zu geFn hätte nun Kleanth dieses Zeno Unterricht genossen; 
aber wovon sollte er leben, wenn er sich nur durch Arbeit sei¬ 
nen Unterhalt erwarb? Und wenn er wie ein Tagelöhner arbei¬ 
ten musste, wie konnte er dann in Zeno’s Schule gehen? Doch 
Kleanth’s Lernbegierde wusste alle Hindernisse zu beseitigen. 
Bei Tage hörte er den Zeno, und des Nachts trug er für einen 
Gärtner Wasser, oder mahlte für eine Frau Getreide auf einer 
Handmühle. Auf diese Weise erwarb er sich in jeder Nacht so 
viel, als er am folgenden Tage zu seinem Unterhalte brauchte; 
und dabei blieb er gesund und ward stark an Geist und Körper. 
Das nahm nun die Leute nicht wenig Wunder. Wovon, sag¬ 
ten sie, mag der junge Mensch sich ernähren, da er gar nicht 
arbeitet? Einer ging in seinem Argwohn gar so weit, ihn bei den 
Richtern zu verklagen, dass er auf ei-ne unerlaubte Weise sich, 
seinen Unterhalt erwerbe. Die Richter liessen ihn vor sich kom¬ 
men, theilten ihm den Verdacht seiner Ankläger mit und gaben 
ihm auf, sich davon zu reinigen. Da holte er den Gärtner und 
die Frau herbei, für welche er bisher gearbeitet hatte; und diese 
bezeugten, dass er seinen Unterhalt während der Nacht sich 
durch Arbeiten ehrlich verdiene. Ueber diese seltene Lernbe¬ 
gierde nicht wenig gerührt, beschlossen die Richter, den edlen 
Jüngling durch ein Geschenk im Werthe von hundert- Thalern 
zu belohnen. 
71. Das hochzeitliche Kleid. 
August/ hatte von ihrer Großmutter ein schönes Kleid zum 
Geschenk erhalten. Es war von weißer, glänzender Seide, mit 
schön gestickten rothen Blümchen übersäet, und der Saum mit fei¬ 
nen Spitzen verbrämt. Das Mädchen hatte dgran eine unbe«
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.