Full text: Lesebuch für obere Classen in katholischen Elementarschulen

fchreibliche Freude. Mit Herzenslust sah sie es unzählige Male an 
und zeigte es jeder ihrer Gespielinnen; und ihr Gedanke an daS 
schöne Kleid war das Erste bei ihrem Aufwachen und das Letzte vor 
dem Einschlummern. Als sie es aber an dem Hochzeitstage ihres 
Bruders das erste Mal anzog, da hatte sie das Unglück, bei dem 
Essen einen Flecken in das hochzeitliche Kleid zu bringen. Bitterlich 
weinte das Mädchen, als es nach Hause kam und der Mutter den 
Unfall erzählte. Nach einiger Zeit begegnete es ihr wieder, daß 
sie das Kleid mit zwei anderen Flecken beschmutzte. Es schmerzte 
sie zwar, aber lange nicht mehr in einem so hohen Grade, als 
daß erste Mal, und sie vergoß nun schon keine einzige Thräne 
mehr. Sieh, meine Tochter! sprach jetzt die verständige Mutter, 
welche dieses bemerkt hatte: es geht mit der Unschuld, wie es dir 
mit deinem schönen Kleide ging; denn es ist die Unschuld so recht 
das hochzeitliche Kleid der unsterblichen Seele. Man achtet und 
schont das schöne Kleid, so lange es rein und unbefleckt ist. Wird 
es aber mit dem ersten Flecken verunstaltet, so betrübt und ärgert 
man sich. Indeß ist es nun einmal geschehen, und man schont und 
achtet es weniger. Viel gleichgültiger sieht man den zweiten Flecken 
an, merkt kaum mehr auf den dritten und vierten, und in kurzer 
Zeit ist das schönste Festkleid ein verworfener Lappen. 
Drum zitt're vor dem ersten Schritte! 
Mit ihm find schon die andern Tritte 
Zu einem nahen Fall gethan. 
72. Empfindung der Gnade. 
Wie süß ist Gott zu loben, 
Zu fühlen seine Näh'! 
Die Seele fliegt nach oben, 
Denn Gott ist in der Höh'. 
Wie groß ist Gottes Güte! 
Er blickt auf mich herab! 
Die Freude im Gemüthe, 
Gott ist es, der sie gab. 
Wie war ich so verlassen, 
Als tch den Herrn verließ! 
Die Sünde will ich hassen, 
Gott preisen, o, wie süß! 
Wie groß ist Gottes Liebe! 
Ich floh vor seinem Blick, 
Da ward ich arm und trübe, 
Er führte mich zurück. 
Gott wohnt in meinem Herzen, 
Vernehms, wer ihn verließ! 
In Freuden und in Schmerzen 
Gott loben, o, wie süß!^ 
* 73. Ehre das Alter! 
Ehre in allen bejahrten Menschen das Bild deiner Eltern und 
deiner Ahnen! Das Alter ist jedem wohlgearteten Gemüthe ehr« 
würdig. —Im alten Sparta gab es ein Gesetz, wonach die Jüng¬ 
linge bei Ankunft eines Greises aufstehen, wenn er sprach, schwer-' 
gen, und wenn er ihnen auf der Straße begegnete, auß dem Wege 
gehen mußten.
	        
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