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Kraft, die Früchte zu reifen; mächtig rollt sein Donner, doch die
Fluren werden erquickt. Gott sendet Sonnenschein und
Regen zur rechten Zeit."
3. Der Herbst mit seinen Früchten und Freuden war da. Als
die Eltern mit den Kindern durch die Flur gingen, sahen sie
Männer und Frauen und Kinder, und Alle waren beschäftigt mit
Sammeln. Der begüterte Bauer führte das Obst auf Wagen. Am
Hügel stand ein Anderer und schaute die blauen Trauben, selbst
der arme Nachbar grub voll Freude seine Kartoffeln und füllte
Säcke. Auch die Güter des bösen Mannes, der keinen Menschen
erfreute, der keinen Armen erquickte, auch seine Güter waren mit
Früchten reichlich gesegnet. Da sprach der Vater: „Alle diese
Früchte laßt Gott den Menschen wachsen; Er gibt Sonne und
Regen dem Acker des Guten und des Bösen. Allen Menschen
gibt er Nahrung; Ec sorgt für die Menschen, wie immer ein
Vater für seine Kinder. Darum heißt es mit Wahrheit: Gott
ist aller Menschen Vater: alle Menschen sind Gottes
Kind er."
4. Es war eine stille Winternacht: Alles mit Schnee bedeckt,
die Bäume voll Duft, kein Lüftchen wehte, kein Laut weit umher,
der Himmel rein und mit tausend und tausend Sternen besetzt.
Bertha und Karl standen mit dem Vater am Fenster, und Karl
sprach: „O, wie todt ist's! kein Blatt und kein Laub: die ganze
Erde ist wie ein Grab." — „Schau nach oben!" sagte der Vater.
—„Ja, dort ist Glanz und Pracht!" sprach der Knabe. — „Va¬
ter, was sind doch die Sterne?" fragte Bertha. — „Kind, ich
kann dir's nicht deutlich genug erklären; du wirst es einst in der
Nähe sehen", sprach der Vater. — „Wann?" fragte hastig das
Kind. — „Wann du gestorben sein wirst," erwiderte jener. Und
er führte die Kinder zum Tische; da lehrte er sie:
„Kinder, wir müssen alle sterben. Der alte, schwache Leib sinkt
zusammen, ist todt, wird dann begraben und verweset zur Erde.
Aber in jedem Menschen ist etwas, das stirbt nimmer; wir, nen¬
nen das unsterbliche Wesen im Menschen Geist. Der Geist ist
verborgen im Leibe des Menschen. Wir können den Geist nicht
schauen; aber der Geist ist's, der die Sprache versteht, durch den
wir die Sprache erlernen. Mit dem Geiste können wir denken,
können unterscheiden Gutes und Böses, können den Glauben an
Gott erfassen. Die geistige Kraft ist's, durch die der Mensch so
viel Schönes und Nützliches schafft. Wenn der Leib nun stirbt,
so zieht der Geist hinaus über die Sterne zu Gott und lebt da
«wig; denn der Geist kann nie vergehen. Ewige Freude und Se-