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füllung gegangen sind, wie das durch ihn gegründete Reich
auf Erden sich auszubreiten begonnen, und die Menschen
durch ihn zur Gemeinschaft mit Gott zurückgeführt wird.
Beide Testamente verhalten sich zu einander, wie Verheißung
und Erfüllung, wie Anfang und Vollendung, wie Dämme¬
rung und Tageslicht, wie Zucht und Gnade, wie Gesetz
und Evangelium.
Es ist euch bekannt, wie die Bücher sowohl des alten
als des neuen Testamentes theils Geschichtsbücher sind,
welche die Geschichte des Reiches Gottes, theils Lehrbü¬
cher, welche die von Gott geoffenbarte Lehre, theils pro¬
phetische Bücher, welche die Verheißungen des von Gott
den Menschen zugedachten Heils enthalten. Ihr müßt hie¬
bei aber wohl beachten, daß in den Geschichtsbüchern auch
Lehre und Weissagung, in den Lehrbüchern ebenfalls Weis¬
sagung nebst Geschichte, und in den prophetischen Büchern
auch wieder Geschichte und Lehre häufig vorkommt; denn das
Wort Gottes sondert nicht, wie die Menschen sondern, vielmehr
sucht es immer auf allerlei Weise uns zur Erkenntniß deS
uns geschenkten Heils zu führen. Diese verschiedenen Bü¬
cher haben nicht von Anfang an sich in der Vereinigung be¬
funden, in welcher die Bibel sie jetzt zeigt; die Verfasser
derselben lebten zu sehr verschiedenen Zeiten; die Sammlung
und Zusammenstellung der biblischen Bücher ist aber eben so
sehr unter der besondern Leitung Gottes geschehen, als ihre
Abfassung, so daß wir ganz gewiß sein können, wir haben
darin das wahrhaftige Wort Gottes. Man nennt diejenigen
Bücher der Schrift, über deren göttlichen Ursprung die Kirche
nie Zweifel gehabt hat, kanonische. Diese Benennung
kommt her von dem griechischen Worte Kanon, welches so viel
als Richtschnur heißt, und es soll dadurch angezeigt werden,
daß die darnach benannten Bücher die Richtschnur unsers
Glaubens bilden sollen. Diejenigen Lehren daher, welche
mit ihrem Inhalte nicht übereinstimmen, sollen wir nicht
glauben und annehmen. In unseren Bibeln finden sich außer
den kanonischen auch noch die sogenannten apokryphi-
schen Bücher; das sind solche, deren göttlicher Ursprung
verborgen oder unbekannt ist; diese sind wohl gut und nütz¬
lich zu lesen, aber man kann nach ihnen nicht entscheiden,
ob eine Lehre wahr und göttlich sei. Was aber in einem
jeden einzelnen von diesen, wie von den kanonischen Büchern
beider Testamente, steht, das sollt ihr jetzt hören.