Full text: Neuer christlicher Kinderfreund

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geschüttelt hatte, antwortete endlich: „O, William, waS 
können wir thun? Ich bin ein schwaches Weib und Du 
ein Knabe. Selber gehen können wir nicht, und Etwas 
geben können wir auch nicht. Sieh, da liegen 26 Pence 
auf dem Tisch. Diese 12 brauchen wir für Brot, diese 
6 zum Pachtgeld für die Sandgruben, diese 2 zum Haus¬ 
zins, diese 3 für Kleider und Schuhe, diese 2 für Steinkoh¬ 
len und diesen letzten zu den Sandsäcken und zu den Huf¬ 
eisen der Jenny. Und für die armen Heiden bleibt leider 
Nichts als der leere Tisch." So sprach das Weib und 
trug die 26 Pence, welche sie nach und nach mit der rechten 
Hand in die linke gestrichen hatte, in die Kammer hinaus. 
William folgte ihr bald und legte sich nachdenklich auf sei¬ 
nen Strohsack. 
Was er aber mit seinem Nachdenken herausbrachte, 
wird der freundliche Leser bald merken. Den andern Tag 
stand er eine Stunde eher auf als gewöhnlich, und sagte 
zu seiner Eselin, indem er ihr das Morgenfutter in die Krippe 
warf: „Von nun an, Jenny, müssen wir jeden Tag zwei 
Mal in die Stadt, das eine Mal für unsere Mutter und 
das andere Mal für die armen Heiden. Und darum darfst 
du auch nicht mehr so langsam gehen, wie die alte Lady 
Dungal in die Kirche, sondern mußt machen, daß du vom 
Wege kommst. Ich will mich auch nirgends mehr länger 
aufhalten, als es nöthig ist." William hielt auch Wort. 
Sonst blieb er an jeder ^Straßenecke stehen, und ging nicht 
eher, als bis er gesehen oder, wo möglich, gelesen hatte, 
was auf den neuen Anschlägen stand; sonst begleitete er oft, 
wenn er seinen Sand schnell abgesetzt halte, die kleinen Sa- 
voyarden und ihre Murmelthiere von Gasse zu Gasse; sonst 
war er bei jedem Ausrufen der Erste und Letzte; von nun 
aber ging er vor alle dem vorüber, wie ein Candidai, der 
seine erste Predigt im Kopfe hat. Und wenn seine zweite 
Ladung Sand keinen rechten Abgang mehr finden wollte, 
so rief er desto lauter: „Kauft Sand für die armen Hei¬ 
den!" so fanden sich immer wieder Käuferinnen, und da¬ 
zwischen Eine und die Andere, die einen Penny mehr gab, 
als er forderte, meist dem Knaben zu lieb, der, wo man 
es verlangte, nach seiner Weise von dem Heidenthum Das 
erzählte, was er sogleich nach seiner Anwesenheit in dem 
großen Hause seiner Jenny mitgetheilt hatte. 
So trieb er es vierzehn Tage und bemerkte in seinem 
Eifer für die Heiden nicht, wie seine Eselin ihren Kopf
	        
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