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man sonst wohl mit der rauschenden Lust in diesen heiligen
Tagen einhielt, so gibt man sich ihr in denselben jetzt mit
eben der Zügellosigkeit hin, wie an anderen Tagen. Ihr
aber, lieben Kinder, wollet es besser machen; euch müsse
es in den Tagen der Fasten nicht aus dem Sinne kommen,
wie Viel euer Heiland für euch gelitten, und wie Viel es
ihn gekostet hat, euch zu erlösen; es müsse diese Zeit vor
jeder andern euch eine Zeit der ernsten Einkehr in euch selbst
sein, eine Zeit der Buße und des Gebets, der dankbaren
Erinnerung an die Gnade, die euch durch das Leiden deS
Sohnes Gottes geworden ist, und frommer Entschlüsse, Den
mit heißer Liebe zu umfassen, Dem mit aufopfernder Treue
anzuhangen, der euch treu gewesen ist bis zum Tode, ja
bis zum Tode am Kreuz. Und gewiß werdet ihr den Se¬
gen einer so gefeierten Zeit an eurem Herzen eben so reich¬
lich erfahren, wie tausend fromme Christen vor euch, denen
keine Zeit des Jahres so lieblich und köstlich war, als diese.
Den Schluß der Fastenzeit bildet die große Woche, wel¬
che der Nalmsonntag mit dem Gedächtniß des letzten Ein¬
zuges Christi in Jerusalem einleitet, und in welcher als be¬
sonders festliche Tage der Donnerstag als der Tag der
Einsetzung des h. Abendmahls, der Freitag als der Todes¬
tag Christi, und der Sonnabend als der große Sab¬
bath oder Ruhetag des Herrn im Grabe hervortreten. Hier
endet die Trauerzeit der Kirche, und ihre Freudenzeit
beginnt mit der am Ostermorgen sie begrüßenden Botschaft:
„Der Herr ist auferstanden; der da todt war, er lebet von
Ewigkeit, zu Ewigkeit!" Denn nachdem Der, welcher um
unserer Sünden willen gelitten hatte und gestorben war,
auferstanden ist, wissen wir, daß er kräftiglich erwiesen ist
als der Sohn Gottes, daß das Werk der Erlösung nicht
allein vollbracht, sondern auch von Gott selbst bestätigt ist,
und daß die Hoffnung einer dereinstigen Auferstehung der
Gläubigen nicht mehr wanken kann. Die Freude über diese
unaussprechlich herrlichen Dinge ist so groß, daß sie mit
der geendeten Feier des Osterfestes nicht erlöschen kann, um
so weniger, da Christus nach seiner Auferstehung noch 40
Tage ans der Erde verweilt und reiche Segnungen ausge¬
streut hat. Von Anfang an sind daher in der christlichen
Kirche diese 40 Tage Tage der festlichen Freude über die
Auferstehung des Herrn gewesen. Die Namen der Sonn¬
tage dieser Zeit deuten dies zum Theil an. Der erste Sonn¬
tag nach Ostern heißt Quasimodogeniti, deutsch: „Als die