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Schwiegersohn, der damals in jugendlicher Kraft geprangt hatte, nunmehr auf
dem Sterbelager!
Am 26. April abends verließ die englische Herrscherin ihre Kinder wieder.
Eine unverkennbare, obschon anfangs nur leise Besserung machte sich seit
den letzten Apriltagen im Befinden Friedrichs geltend. Wenn das Fieber auch
immer zurückkehrte, wenn der Kaiser auch beinahe die ganzen Tage noch im
Bette zubrachte, konnte doch der pflichttreue Monarch seit dem 27. April wieder
die amtliche Arbeit aufnehmen. Anfang Mai trat dann eine entschiedene Wen¬
dung zum Guteu ein: am 4. Mai war das Fieber verschwunden, und am fol¬
genden Tage vermochte der Kaiser sogar in leise flüsternder Stimme zu sprechen.
Allgemein war der Jubel im Lande ob dieser Kunde, nachdem man schon das
Schlimmste als unmittelbar bevorstehend gefürchtet hatte. Von neuem belebte
sich die Hoffnung, daß die kräftige Natur des hohen Herrn doch auf längere
Zeit der tückischen Krankheit werde widerstehen können. Wirklich lauteten die
Nachrichten fortdauernd erfreulich. Der Kaiser hatte gauz natürliche Temperatur,
die Beschwerden beim Schlucken hörten auf, uud er konnte bei dem herrlichen
Frühlingswetter viele Stunden im Parke von Charlottenburg zubringen. Am
19. Mai war seine erste Ausfahrt seit deu fünf Wochen seiner jüngsten Er¬
krankung, zur unaussprechlichen Freude aller, die dem kaiserlichen Wagen be¬
gegneten. Zivei Tage später besuchte er wieder Berlin, und die Reichshaupt¬
stadt ward von neuem der Schauplatz von Scenen herzlichster Teilnahme und
Begeisterung, die die ganze Bevölkerung dem schwer geprüfte» Herrscher bezeigte.
Diese letzte Besserung im Befinden Friedrichs gewährte demselben noch die
Befriedigung zweier ihn freudig erregender Erlebnisse: der Vermählung seines
zweiten Sohnes Heinrich und einer Besichtigung seiner Truppen.
Ter Kaiser hatte zu der Braut seines jüngeren Sohnes, der Prinzessin
Irene von Hessen, die zärtlichste Zuneigung gefaßt. Wenige Tage vor der
Hochzeit besuchte ihn das liebliche Mädchen, ließ sich vor dem Armstnhle des
verehrten Vaters nieder und küßte ihm in tiefer Ergriffenheit die Hände.
Friedrich aber schob den Schleier zurück und küßte sie auf die Wange». Tann
überreichte ihr der gütige Mann ein Kästchen voll der herrlichsten Schmncksachen,
legte ihr selbst die Juwelen au und gab ihr am Ende einen Diamantstern,
mit den schnell geschriebenen Worten: „Ten mußt Tu alle Tage als Brosche
tragen; er sei Tein Glücksstern." Zn seiner unaussprechlichen Freude konnte
der Kaiser am 24. Mai der Vermählungsfeier seiner Kinder in der Schlo߬
kapelle von Charlottenburg beiwohnen. Während der ganzen Traurede stand
er aufrecht da, auf seinen Degen gestützt. Freilich sah man der hohen Gestalt
die Anstrengung an, die solche Haltung sie kostete; freilich rötete danach das
lieber bald wieder die bleichen Wangen des Kaisers, — aber seine Genug¬
tuung, seht Gluck, selber die Hand des Sohnes in die der geliebten Braut
gelegt selber die eigene Rechte segnend über das Haupt der Neuvermählten
gestreckt zu haben, verschönten das Ende dieses herrlichen Lebens.