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Natnrlehre.
Was ihr bisher von der gemeinen Luft gehört habt, mag hinreichen,
um euch zu zeigen, wie unermeßlich groß die Wohlthaten sind, welche
uns Gott durch die Luft erweist. —JOhne die darin befindliche Lebens¬
lust (S. 67) gäbe es kein Leben, ohne Luft gäbe es für uns keinen
Schall, folglich auch keine Tonsprache, kein Vogel könnte fliegen u. s. w.
Hätten wir indeß auch Luft, aber keinen Wind, so würde auch
daraus der schrecklichste Nachtheil entstehen. Wie könnten die aus
dem Meere sich hebenden Wolken bis zu uns kommen ohne Wind?
Wie wollten wir ohne seine Mitwirkung über die See schiffen? Würde
nicht das Meerwasser (trotz der Ebbe und Flut und trotz dem in ihm ent¬
haltenen Salze) in Fäulniß übergehen und stinkend werden ohne
Bewegung durch Stürme? Müßte nicht selbst die Luft sumpfartig
werden obne Wind ? *) — Der Wind bewegt wohlthätig die Pflan¬
zen und Bäume und streut den befruchtenden Blütenstaub umher; —
Winde mäßigen die Hitze und Kälte, se nachdem sie aus dieser oder
jener Gegend kommen. Wie wohlthätig erquickt uns ein kühlender
Wind im Sommer und ein erwärmender im Winter! Wie spät würde
g.elinde Frühlingswitterung eintreten, wenn die Sonne ohne Beihilfe
des Thauwindes allen Schnee und altes Eis auflösen und die zu vielen
Feuchtigkeiten austrocknen müßte! — Doch das mag genug sein, auch
in den Eigenschaften der Luft Gottes Güte keimen zu lernen.
k) Die Entstehung des Schalles, zu welchem die höchste Ela¬
sticität der Luft unumgänglich nöthig ist, habe ich euch schon erklärt, als ich
mit euch vom menschlichen Ohre sprach (S. 89—91). — Das Echo oder
der Wiederhall ist das Zurückprallen der Schallwellen oder Schallstrah¬
len an nicht zu nahen und nicht zu weit, doch mindestens 60—63 Fuß
entfernten festen Gegenständen. — Bei stiller Luft pflanzt sich der Schall
in einer Secunde etwa 1000 Fuß weit fort. Das Licht ist 920,000mal
geschwinder. Wie weit kommt also dieses in einer Secunde?
Luftrrrten.
Von mehreren andern Luftarten oder Gasen, wie sie die Che¬
miker nennen, habt ihr schon auf Seite 67 gehört; ich will daher
hier nur noch weniges zusetzen und euch dann von dem Wasserstoffgas
und Leuchtgas erzählen.
1) Die Lebenslust (oder das Sauerstoffgas), welche man erst
im Jahre 1774 kennen lernte, findet sich nicht bloß in der Luft, son¬
dern sie ist ein Bestandtheil fast aller Körper der drei Reiche. Am
leichtesten kann man sie durch Glühen des Braunsteins gewinnen,
welcher sehr viel davon enthält. Sie ist um ein Zehntel schwerer, als
die gemeine Lust, und besitzt eben so wenig Geschmack, Geruch und
Farbe, als diese. Daß sie zum Athmen unentbehrlich ist, wißt ihr
schon. Fast alle Körper verbinden sich sehr gerne mit Lebenslust und
erzeugen damit andre Körper, die man im Allgemeinen Oryde
*) Bei langer Windstille entstehen daher gewöhnlich Seuchen.