Naturlehre. 
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sie zuerst am Bernstein, welcher auf griechisch Elektron heißt, ent¬ 
deckt hat. Allein nicht nur an diesem, sondern auch an einer Menge 
anderer Körper kann man sie bemerken, wie z. B. am Glase, Pech, 
Siegellack, an Seidenzeug und den Haaren mancher Thiere. Wenn 
man eine trockene Glasröhre oder eine Stange Siegellack stark mit 
Wolle oder Seide reibt und über Papierschnitzelchen hält, so zieht sie 
dieselben mehrmals nach einander an. Nähert man sich der Röhre 
mit dem Knöchel des Fingers, so fährt mit leisem Knistern ein klei¬ 
ner Funke heraus, der ein schwaches Kitzeln im Finger erregt. Streicht 
man im Finstern den Rücken einer Katze, so sprühen gleichfalls kni¬ 
sternde Fünkchen heraus. Alles das sind elektrische Erscheinungen, 
die vom gemeinen Feuer sehr verschieden sind. — Doch ich habe euch 
ein Vergnügen zugedacht, liebe Kinder, durch das ihr die Eigen¬ 
schaften der Elektricität anschaulich kennen lernen sollt. 
(Richard gieng an den Schrank und brachte einen runden Schachteldeckel 
zun Vorscheine, worauf ein Fuchsschwanz lag. Die Kinder machten 
große Augen, was da herauskommen sollte.) 
Hier, sagte Herr Richard, habe ich selbst etwas verfertigt, um 
euch mit der so merkwürdigen Materie, von der wir eben reden, be¬ 
kannter zu machen. Man nennt das Ding einen Elektrophor oder 
Elektricitätsträger *). 
Diese wie ein runder Schachteldeckel gestaltete Kapsel ist bloß 
von Pappe gemacht. Eben daraus besteht auch die oben aufliegende, 
mit Stanniol (dünngewalztcm Zinn) überzogene Scheibe. Sic hängt, 
wie ihr seht, an seidenen Schnüren, an denen ich sie setzt aufhebe. — 
(Die Kinder waren neugierig, was unter der Scheibe verborgen sei. Es 
war etwas Braunes, wie ein Honigkuchen.) 
Lächelnd fuhr Herr Richard fort: Bestünde der Kuchen hier aus 
Honig, Mehl und Gewürz, und nicht aus Wachs, Pech und Geigen¬ 
harz, so würde ich ihn unter euch austheilen. Doch vielleicht macht 
er euch trotz seiner Uneßbarkeit mehr Vergnügen, als ein eben so 
großes Stück Naschwerk. 
Er nahm hierauf den Fuchsschwanz und fieng an, den Kuchen 
tüchtig^zu reiben und ^u peitschen; dann ergriff er die bei Seite ge¬ 
legte Scheibe an den Schnüren, senkte sie auf den Pechkuchen, drückte 
nnt einem Finger darauf, hob sie empor und hielt sie schwebend den 
Kindern entgegen. — „Nun, welcher von euch hat Lust, den Rand 
der Scheibe zu berühren?" — Kaum hatte einer der Knaben mit 
dem Finger daran getupft, als ein knackender Funke daraus fuhr. 
Laßt uns setzt eine Flasche mit solchen Funken füllen, fuhr Herr 
Richard fort, um zu sehen, was es dann geben wird. Er brachte 
*) Erfunden von dem schwedischen Naturforscher Wilke 1762 und bekannt 
gemacht von dem erst im Jahr 1827 verstorbenen Italiener Volta 1775. 
Der Lehrer wird die Gelegenheit ergreifen, seine Schüler auch mit der 
Glas-Elektricität und mit den verschieden geformten Elektrisirmaschinen 
wenigstens durch Beschreibung, wie im 3ten Bde. der 2ten Ausl. deS 
Handb. z. Denkfr. S. 121 ff., bekannt zu machen. 
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