Tonlesekunst. 
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Das geliebte Ringeltäubchcn hier 
Hatt' ich mit so vieler Müh' erzogen; 
Wenn mein Aug' ihm winkte, kam es mir 
Freundlich auf die Schulter hergeflogcn. 
Ach! entfiedert, und entstellt vom Tod 
Liegt mein liebes, silberweißes Täubchen! 
Zarte Füßchen hatt' es, klein und roth, 
Auf dem Kopf ein mondgesormtes Häubchen. 
Ihm zur Seite liegt das Männchen da 
Mit dem glatten, aschenfarbnen Köpfchen; 
Alle Regenbogenfarben sah 
Man im Sonnenstrahl an seinem Kröpfchen. 
Ach, wer hätte mir sagen sollen, daß mein Lieblingsliedchen so 
buchstäblich auf mich passen würde! O ick kann es nun nicht mehr 
singen, ohne zu weinen! O böser, böser Marder! Hättest du nur ein 
Pärchen, nur das einzige Pärchen verschont, das ich so mühsam 
erzogen habe! das dankbare Pärchen, das mir so traulich auf die 
Schulter flog, wenn ich gurr, gurr rief! — Ach, nichts ist mir von 
euch übrig, ihr frommen Täubchen, als euer armes, nacktes Zwil¬ 
lingspaar! — O ihr kleinen Närrchen! wäret ihr nur ein bißchen 
flügger (flücker)! Wie wollt' ich euch pflegen und warten, bis auch 
ihr so groß und zahm würdet! — 
Mutter. Armes Minchen! wie beklag' ich dich und deine armen 
Täubchen! Aber — ich bin unschuldig. 
Minchen. O Mutter, Mutter! Ich fühle, was du sagen willst. 
Ach du hattest es geahnet, daß es so gehen würde. Ach hätt' ich dir 
gefolgt und die kleine Öffnung da zumachen lassen! 
Mutter. Siehst du nun, welchen Jammer der Leichtsinn bereitet? 
Zweimal hab' ich dich erinnert, und du sorgtest doch nicht dafür. — 
Minchen. Ach Mutter, liebe Mutter! Nie mehr will ich so 
leichssinnig sein. 
Mutter. So lange dich dein Verlust noch schmerzt, hoffentlich 
nicht; aber wenn dein Jammer vergessen ist, wie dann? — Weißt 
du noch, was du versprachst, als dein Hänfling starb, den du so 
jämmerlich verhungern ließest? 
Minchen. O mache mir keine Vorwürfe, lieb Mütterchen! Ich 
vergehe vor Jammer. 
Mutter. Das sollst du nicht; aber tief sollst du fühlen, welche 
bittere Früchte die Sorglosigkeit bringt. 
6. Die Helden irn Wirthshause. 
(Zürnender Ausruf.) 
(Bürger und Soldaten im Handgemenge. Wildes Kreischen und Fluchen. — 
Ein Offizier mit Mannschaft tritt ein.) 
Offizier. Still! Ordnung! (In dem Augenblicke legt sich das Getümmel. 
Der Offizier zu den Soldaten:) Das Seitengewehr abgelegt! (Zu seinem
	        
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