zu speisen, unsere Gefilde zu bewässern, alles Leben zu tränken.- Wie
dein Herzblut alle Adern des Leibes dnrchfirömt und lvieder zum Herzen
zurückkehrt, in ähnlicher Weise kreist das Wasser, das dem Meere in
Dunstform entsteigt, durch die irdische Schöpfung.
Das Wasser des Meeres ist in einer Weise abgewogen und zu¬
sammengesetzt, daß die möglichste Lebensfülle, Schönheit und Vollkommen¬
heit der Erde daraus entspringen. In dem Meere herrscht eine un¬
geheure Lebensfülle. Darin wimmeln Tiere von unbeschreiblicher Kleinheit
neben den Riesentieren der Schöpfung. Dort schwimmt der Walfisch,
25—30 m lang, dort segelt der Pottfisch von ähnlicher Größe, der
Schrecken aller Bewohner der Fluten. Nicht minder groß ist das Reich
der Meerpflanzen und Pflanzentiere des Oceans. Die seichteren Gegenden
des Meeres sind mit einem dichten Pflanzenteppich, mit unterseeischen
Gärten, Wiesen und Wäldern bekleidet, die bei heiterem Sonnenschein
in prächtigen Farben schillern. Büschelartige Tang- und Meeralgen
und bäum- und strauchartige Pflanzentiere wechseln von der Größe
des feinsten Mooses bis zu dem 500 in langen Blasentang. Das
Meerwnsser enthält durchschnittlich BVa Prozent Salze, von denen
2 Prozent Kochsalz find. Diese Stoffe geben dem Meerwasser einen
bittern, widerlichen Geschmack und machen es für den Menschen untrinkbar;
aber sie sind für die Haushaltung der Natur von großer Wichtigkeit.
Der Salzgehalt mäßigt die Strenge des nordischen Winters, weil das
Satzwasser bei einer niedrigeren Temperatur gefriert als das Süßwasser.
Das Salzwasser hat auch eine größere Tragfähigkeit als das Süß-
waffer, was für die Schiffahrt von Wichtigkeit ist.
Ein sonderbares Schauspiel ist an den Küsten der Nordsee die täg¬
lich zweimal eintretende Ebbe und Flut. Da stürzen sich, wenn die
Ebbe eintritt, in eiliger Hast Ströme und Flüsse ins Meer hinaus.
Alle Gewässer sind in Bewegung, aus allen Kanälen, Gräben und
Zweigadern des Landes strömt es heraus lute in den Straßen einer
Stadt nach einem heftigen Regen. Überall wachsen trockene Länder
aus dem Meere heraus und nehmen zusehends an Umfang zu. Jede
Insel, an der man vorüberfährt, nmgiebt sich mit einem breiten Bor-
lande, das sich sofort mit Menschen bevölkert, die den Krabben und
anderen im Schlamme zurückgebliebenen Seetieren nachstellen. Gewöhn¬
lich wird der Wasserspiegel 2—4 m erniedrigt. Endlich entsteht Still¬
stand in den Strömen. Allmählich aber kommt wieder Leben und Reg¬
samkeit in die trägen Gewässer. Die Schulter des Oceans hebt sich
gewaltig, und er zieht siegreich zu allen Thoren des Landes ein. Alle
Kanäle desselben füllen sich, viele schwellen bis an den Rand. Die
Vorlande um die Insel verschwinden: Fischer, Austern- und Krabben¬
sucher ergreifen die Flucht und retten sich vor der Flut hinter Dämmen
und Deichen. Ebbe und Flut setzen die Wasserteilchen des Oceans bis
in die untersten Tiefen in Bewegung und gewinnen dadurch eine hohe
Bedeutung im Haushalte der Natur.
Was verdankt aber der Mensch dem Meer? Die Küstenbewohner
finden gerade am Meere und an seinen Ufern vorzugsweise ihre Nahrung,
und zugleich ist ihnen der Verkehr am ehesten ermöglicht. Die zahl-