Tonleseku n st. 
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Vater Gerhard. Auch wir, ich und meine Frau, konnten an¬ 
fangs nicht so ganz die Worte zu Herzen fassen. So oft ein kleiner 
Unstern kam, mußten wir einander daran erinnern. 
Jost. Auch wir wollen das thun, liebe Marie. 
Marie. Ja, das wollen wir! Du sollst sehen, wie gescheid ich 
mich künftig betragen will, wenn wieder etwas gegen meinen Kopf geht. 
Vater Gerhard. (Marien die Hand reichend) Topp! So ein ge- 
scheides Weib, wie Sie, liebe Nachbarin, kann das auch. — Aber 
ich habe die Geschichte noch nicht ganz auserzählt. — Noch immer 
dachten wir, daß es doch wenigstens Schade um das schöne Gesicht 
sei, das durch die Blattern verdorben war. 
Marie. I, was da! Schön sein ist nicht schön; schön thun 
ist schön. 
Vater Gerhard. Das sagten wir freilich auch; aber doch thac 
es uns wehe, daß wir den Jungen so entstellt sahen, bis wir in der 
Folge erfuhren, daß die Blatternarben sein und unser größtes Glück 
waren. 
Marie. Er scherzt, Vater Gerhard. 
Vater Gerhard. Kein Scherz, Frau Nachbarin, wie Sie gleich 
hören wird. Da wir vor mehreren Jahren uns vornahmen, dem 
Burschen unser Gut abzutreten und mit einem jährlichen Leibgeding 
in das kleine Hofhaus zu ziehen, ersah er sich ein reiches und bild¬ 
schönes Mädchen aus einem benachbarten Dorfe. Die Wahl gesiel 
uns beiden, und meine Frau war schon im voraus stolz auf eine so 
schöne Schwiegertochter. Aber mit dem Stolze kam sie zu früh. Das 
Mädchen sagte dem Freiersmanne, den wir hinschickten, rund heraus, 
daß sie an unserm Wilhelm nichts auszusetzen habe, als — sein blat¬ 
ternarbiges Gesicht. 
Jost. Glück auf, daß er die Närrin nicht bekommen hat! 
Vater Gerhard. So dachte aber mein Wilhelm nicht. Er war 
länger als vier Wochen nicht mehr zum Schwatzen und Lachen zu 
bringen, so weh that es ihm, um seiner Blatternarben willen ver¬ 
schmäht zu werden. Seine Mutter schlief halbe Nächte nicht ein. 
Indeß heirathete die gewünschte Braut einen Andern, und so hatte 
das Speculiren in meinem Hause ein Ende. Der verschmähte Lieb¬ 
haber tröstete sich wieder und warb darauf um seine jetzige Frau, 
die zwar weniger schön und reich war, dafür aber tausend andere 
Vorzüge besitzt, die jene nicht hat. Ich darf wohl sagen: Hätten die 
Blattern bei meinem Wilhelm nicht so viel Narben zurückgelassen, er 
und seine Eltern wären die unglücklichsten Menschen. 
Marie. Je, wie soll ich das verstehen? 
Vater Gerhard. Mein Wilhelm hätte dann eine Frau und 
wir Eltern hätten eine Schwiegertochter bekommen so häßlich an Geist, 
als schön an Gesicht. Ihr nachheriger Mann ist indeß vor Verdruß
	        
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