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jetzt in allen Ländern ihr Bedarf sehr groß und es wird ein bedeutender 
Handel damit getrieben. Deutschland schickt dafür unermeßliche Summen 
ins Ausland. In den Jahren 1830 und 1831 wurden allein in Preußen 
für 6 289 000 Thaler Seide und seidene Waaren eingeführt. In Baiern 
schätzt man den Werth der jährlich eingeführten Seide und Seidenzeuge 
auf wenigstens sechs bis sieben Millionen Gulden. Wie Vortheilhast 
würde es für Deutschland sein, könnte es seinen Seidenbedarf selbst zie¬ 
hen! Die Behauptung, daß sich unser Klima nicht für den Seidenbau 
eigne, ist durch vielfache Erfahrung hinlänglich als unrichtig anerkannt 
worden. Bor allen Dingen sehe man nur darauf, daß man beim Be¬ 
ginne der Seidenzucht bereits im Besitz einer hinlänglichen Anzahl an¬ 
gewachsener Maulbeerbäume oder angelegter Maulbeerhecken ist, damit es 
den Seidenraupen niemals an Futter mangelt. Die Seidenzucht kann 
sowohl im Großen, als auch im Kleinen als ein Nebenerwerbszweig be¬ 
trieben werden. Der Landnlann kann dazu eine Zeit, wo ihn andere 
Landarbeiten nicht hinlänglich beschäftigen, verwenden, und wird um so 
mehr seine Rechnung dabei finden, da die Arbeit keine kostspieligen Vor¬ 
richtungen erfordert, einträglich und nicht schwer ist, und von Frauens¬ 
personen und Kindern spielend verrichtet werden kann. Im Durchschnitt 
liefern sieben bis zehn Pfund Cocons (Gespinnste) ein Pfund Seide. 
Die Raupen kann man in jedem Zimmer sogar in Wohnzimmern halten, 
wenn sie nur vor Kälte, Hitze, Staub, Rauch, Nässe und vor Ratten, 
Mäusen und Spinnen gesichert sind. — 
74. Die geselligen Insekten. 
Zwar erscheinen die meisten Insekten auf einmal in großer Zahl 
ja oft in unzählbaren Schaaren, so daß man sich ihrer gar nicht er¬ 
wehren kann, und daß sie vorzugsweise mit dem Namen Ungeziefer be¬ 
legt werden. Allein geordnete Gesellschaften bilden diese Schwärme 
nicht, und höhere Fähigkeiten zeigen sie ebenso wenig. Diesen Vorzug 
besitzen nur die Bienen, Wespen, Hornissen, Hummeln und die 
Ameisen, also Insekten mit durchsichtigen Flügeln und mit Stacheln 
versehen, wovon nur die Ameisen einigermaßen ausgenommen sind. 
Diese Thierchen haben den bewundernswürdigen Instinkt, in einer 
Art von Staat zu leben und sich allgemein anerkannten Gesetzen un¬ 
terzuordnen. Nur die Bienen gehorchen einer sogenannten Königin, 
die andern bilden Republiken, in welchen es aber ebenso ordentlich zu¬ 
geht als in jenen Monarchien. Die Hauptmasse der Bewohner eines 
solchen Staates sind geschlechtslos und widmen ihr Leben blos der 
Arbeit nicht allein für die eigne Ernährung, sondern auch für die Er¬ 
nährung Anderer, mindestens der Brut. Zugleich sind diese Arbeiter 
auch die Vertheidiger des Staates. Sie sind vorzugsweise mit Stacheln, 
bei den Ameisen statt dessen mit scharfen Zangen versehen, wozu noch 
ein entzündender Saft kommt, und besitzen eine Tapferkeit, die sie trotz 
ihrer Kleinheit oft furchtbar macht. 
Von den Hummeln und Hornissen weiß man am wenigsten Jn-- 
teressantes, sie bauen weniger künstlich als die übrigen und zeichnen 
sich auch gerade nicht so sehr durch geistige Fähigkeiten aus. Ein Glück 
ist es übrigens, daß die Hornissen weniger zahlreich und weniger reiz- 
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