an und heißt dann federweiß. Dann ist er angenehm zu trinken, aber 
nicht sonderlich gesund. Gegen das Ende des Winters wird er abge¬ 
stochen d. h. der klare Wein von der Hefe getrennt. Guter Wein 
halt sich viele, oft selbst über hundert Jahre, immer aber verliert er 
von seiner ursprünglichen Süße, wenn er gleich bis zu gewissen Jahren 
an Stärke gewinnt. Nicht alle Traubensorten geben gleich guten Wein, 
selbst wenn sie auf demselben Boden wachsen, und die angenehmsten 
Trauben zum Essen sind ebenso wenig die vorzüglichsten zum Wein, als 
Dies bei dem Obste der Fall ist. In südlicheren Ländern gibt es auch 
Rostnentrauben, in Deutschland aber haben sie dazu nicht Süße genug. 
Dort behandelt man die reifen Trauben beinahe, wie bei uns die Zwet- 
schen und Mirabellen, nur daß man das Trocknen mehr der Sonne 
als der Osenhitze überläßt. 
87. Die Gärtnerei. 
Lieber Karl! 
Endlich ist mein sehnlichster Wunsch erfüllt, ich bin Lehrling bei 
dem gräflich L — i scheu Gärtner, Herrn Th... Du weißt, daß 
mein Vater immer dagegen war, daß ich mich diesem Geschäfte wid¬ 
men wollte, allein mein inständiges Bitten und meine Beharrlichkeit 
haben zuletzt seine Einwilligung bewirkt. „Des Menschen Wille ist sein 
Himmelreich, sprach er, zieh' hin in Frieden; aber lerne wenigstens 
etwas Tüchtiges." Das ist denn nun auch mein ernstlicher Vorsatz, 
und da ich Lust daran habe, so wird es mir, denke ich, nicht schwer 
werden. Auch fehlt es mir gar nicht an Gelegenheit. Mein Lehr¬ 
herr gilt für einen der geschicktesten Gärtner in der ganzen Gegend; 
er ist zwar streng, hält auf die genauste Ordnung, daneben aber ist 
er freundlich und belehrt mich gern über Alles. Auch der Garten ist 
geeignet, um die ganze Gärtnerei kennen zu lernen; er ist groß, hat 
Anlagen aller Art, zwei Treibhäuser, Mistbeete in Menge, eine Baum¬ 
schule, Gemüsefeld und Gebüsche, selbst ein kleiner Weinberg fehlt 
nicht. Du kannst Dir denken, mit welchen Augen ich diese Herrlich¬ 
keiten alle betrachtet, und wieviel Fragen ich an meinen Lehrherrn ge¬ 
richtet habe. „Geduld! sagte er, nur nicht Alles auf einmal! Du wirst 
es schon noch erfahren. Vor Allem lerne einmal die im Freien 
wachsenden Blumen kennen, denn deren Pflege will ich dir zunächst 
übertragen, wofern du aufmerksam sein willst." Das versprach ich 
natürlich gerne, und habe seit den 14 Tagen, wo ich hier bin, hoffent¬ 
lich auch mein Versprechen gehalten. Du kannst Dir aber auch kaum 
denken, was für herrliche Blumen wir hier ziehen! Du siehst, ich 
schreibe mir auch schon einiges Verdienst zu, denn ich begieße sie ja 
täglich zweimal, behacke sie, ziehe das Unkraut aus, lese die schädlichen 
Insekten, die Raupen und Blattläuse ab, und wo sich welke Blätter 
zeigen, da werden dieselben unverzüglich entfernt. Auch mit den Stä¬ 
ben zur Unterstützung der schwächeren Stengel und dem Anbinden 
habe ich zu thun. Dafür gedeiht aber auch Alles, daß es eine Lust 
ist. Die Rosen sind zwar schon größtenteils verblüht, nur einige 
seltnere Sorten und die Monatrose blühen noch fort. Auch die Tulpen¬ 
beete sind leer, und mein Lehrherr sagt, es würde nicht lange danern>
	        
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